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Dezember 2018 - Seitenwagen

dazu und im Anfang muss man eine Menge Lehrgeld zahlen. Ich kenne das Hand-werk, war selbst lange genug in einer Seitenwagenfabrik gewesen. Es schien uns selbst unglaublich, was an den gelieferten Wagen alles brach: Rohrrahmen, dann Karosserieaufhängungen, die waren zuerst aus Temperguss, nachher liessen wir sie schmieden, Anschlüsse brachen nach allen Richtungen. Meist stellte sich heraus, dass der Anschluss, den wir „nach Schnauze“ entworfen hatten, in irgendeiner Strebe durch besonders geschickte Anordnung nicht nur auf Zug und Druck, sondern auch auf Knickung beansprucht wurde. Heute kann man ja ruhig aus der Schule plaudern, denn jetzt kommt so etwas nicht mehr vor. Diese Dinge passierten vor sechs Jahren, im Frühjahr 1923... Die Fahrgestelle der Seitenwagen sind in den letzten Jahren immer einfacher in der Konstruktion geworden. Nicht nur aus fabrikatorischen Gründen, um an Material und Arbeit zu sparen, sondern es hat sich gezeigt, dass Seitenwagen mit einfachsten Rahmen viel weniger zu Brüchen neigen als solche, die ein kompliziertes Rankenwerk von Rohren als Rahmen verwendeten. Dem Zuge der Zeit im Motorradbau folgend, findet nun auch der Rahmen aus gepressten Stahlblechträgern im Seitenwagenbau Eingang. Viel erörtert wurde und wird die Frage, ob beim Seiten-wagen nur die Karosserie gegen das Untergestell oder auch das Rad gefedert werden sollte. Die Erfahrungen mit Fahr-zeugen beider Typen sind so verschieden, dass man mit absoluter Sicherheit kein Urteil fällen kann. A priori müsste man ja annehmen, dass der Seitenwagen mit federnd auf- gehängtem Rad anderen Konstruktionen überlegen sei. Es kommt hier indessen so sehr auf die Art der Lösung an, dass z. B. ein Seitenwagen mit sehr guter Radfederung unbefriedigende Ergebnisse zeitigt, weil die Führung des Rades sich eben durch die Federung verschlechtert hat. Langschwingende Blattfedern, vom Automobil übernommen, haben sich beim Seitenwagen jedenfalls weniger bewährt. Bessere Verwendung finden solche Federn zum Tragen verhältnismässig schwerer Karosserien auf ungefedertem Untergestell. Auch Spiralfedern, zum Aufhängen der Karosserie am Rahmen verwendet, konnten nicht befriedigen. Sie gaben der Karosserie meist zu viel seitliches Spiel und wTaren schweren Dauerbeanspruchungen kaum gewachsen. Dagegen zeigten sie eine ziemlich weitgehende Anpassungsfähigkeit an Schwankungen und Aenderungen der Belastung. Als die gegenwärtig bewährteste Lösung wird man wohl die Aufhängung der Seitenwagenkarosserie mit einer C-Feder, die durch einen Schwingungsdämpfer im Ausschlag begrenzt und geführt wird, bezeichnen. Das verzwickteste Problem für den Seitenwagenbauer ist gewöhnlich der Anschluss des Seitenwagens an das Motorrad. Natürlich hat heute jede bessere und stärkere Maschine im Rahmen ein paar Augen, um den Anschluss des Seitenwagens zu ermöglichen. Für den Anschlusskonstrukteur wird aber die Geschichte womöglich auf diese Art noch verzwickter, er ist- an diese Anschlussstellen gebunden. Natürlich ist so ein Seitenwagenanschluss gewöhnlich statisch bestimmt, d. h. als Dreieckverband konstruiert, um die nötige Abstützung zu geben. Aber er darf auch nicht zu starr sein, weil sonst ein Bruch eher ein- treten kann, als man vermutet, durch unerwartete Beanspruchungen oder durch gewöhnliche Vibrationen. Man schaltet deshalb vielfach in eines der Anschlussglieder ein Federgelenk ein, das sowohl stossdämpfend als auch ausgleichend (bei Spannungen!) wirkt. Von der Forderung, dass der Seitenwagen in wenigen Minuten sich anbringen oder abmontieren lasse, geht man im Interesse der Sicherheit immer mehr ab. Ein guter Anschluss muss auch solide eingebaut werden. Die grösste Freiheit ist dem Seitenwagenkonstrukteur in der Karosserie belassen. Hier darf er fast ad libi- dann in der Form und. nur an die Farbe des Vorderrades gebunden, seiner Künstlerischen Ader freien Lauf lassen. Die von England übernommene einfache Zweckform hat wh so bewährt, dass sie heute fast allgemein gebaut wird. Die einzigen Ausnahmen bilden die sogenannten Torpedoformen, die aber schon einen Uebergang zum reinen S p o r t s e i t e n w a - gen darstellen. IVas Geräumigkeit und Bequemlichkeit angeht, lassen die meisten Seitenwagen heute so wenig zu wünschen übrig, dass sie manchmal sogar das Kleinauto übertreffen. Der Einstieg freilich ist manchmal nicht ganz so bequem, wird, aber erleichtert, wenn ein Klappsitz eingebaut ist, so dass man „blind“ in die „Kutsche“ einsteigen kann. Der Wetterschutz ist beim Seitenwagen weniger vollkommen als bei anderen Fahrzeugen. Einmal ist das Schuld der doch etwas beschränkten Raum Verhältnisse und dann liegt darin zweifellos ein Stück Ungerechtigkeit, wenn der Fahrer auf dem Motorrad allen Unbilden der Witterung voll aus- gesetzt ist, der Mitfahrer im Seitenwagen aber wohlig verpackt sitzt. Dieses psychologische Moment dürfte es in erster Linie erklären, weshalb der Konstruktion wirklich brauchbarer Allwetterverdecks bisher geringere Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Eine Windschutzscheibe ist dagegen ohne weiteres zu fordern, sie braucht nicht einmal so hoch zu sein, dass sie das Gesicht voll schützt, es genügt, wenn durch sie der schlimmste Fahrwind nach oben abgelenkt wird. Ueber die weitere Ausrüstung ist eigentlich Wenig zu sagen. Gepäckreff und ein Halter für eine Reservedecke sind selbstveständlich, auch wenn sie vom Fabrikanten des Seitenwagens extra berechnet werden. Ob Holz oder Blech vorteilhafter sei, darüber; ist man sich im Seitenwagenbau so wenig im klaren wie im Automobil-' karosseriehau. Sperrholz hat sich gut bewährt, Blech auch. Letzteres hat noch den Extravorteil, eine selbsttragende Konstruktion der Karosserie zu ermöglichen, Tvas immer ein kleines Plus an Raum ergibt. In England haben sich Leichtmetallkarosserien schnell eingeführt, in Deutschland sind damit erst Versuche gemacht worden. Die stoffüberspannte Karosserie, der Weyman-Karosserie ähnlich, hat eine kurze Zeit als scheinbar brauchbare Lösung Anhänger gehabt. Ihre mangelhafte Festigkeit und die verhältnismässig kurze Lebensdauer bei gleichhohen Gestehungskosten haben sie wieder in den Hintergrund treten lassen. Immer noch gering ist die Zahl der Seitenwagen, bei denen der Insasse genügend gegen Schmutzspritzer, aufgewirbelt vom Rad des Seitenwagens, geschützt ist. Gegen das Hinterrad des Motorrades ist eine absolut dichte Trennung unmöglich. Dass aber die gewöhnlichen Kotflügel, die zwischen Karosserie und Rad einen ziemlichen Zwischenraum freihalten, noch immer verwendet werden, scheint fast zu beweisen, dass die meisten Seitenwagenkonstrukteure noch nicht in ihren eigenen Schöpfungen gefahren, worden sind, sonst würden sie unbedingt Abdeckflügel an die Karosserie bauen. Ein Kapitel für sich ist der Sport- und Rennseitenwagen. Die Bequemlichkeit des Passagiers spielt hier nur eine untergeordnete Rolle, sie kommt lediglich hei Wagen in Betracht, die auch in Langstreckenrennen und auf Zuverlässigkeitsfahrten Verwendung finden sollen. Hier hat sich — im Gegensatz zum Tourenseitenwagen — die Luftpolsterung eingeführt' und auch gut bewährt. Grossen Wert legt man natürlich bei diesen Wagen auf geringes Gewicht und geringen Querschnitt — zur Verringerung des Luftwiderstandes. Leichtmetall und Sperrholz sind aus dem erstgenannten Grunde beliebt, „windschnittige“ Form aus dem zweiten. Allerdings korrekt aerodynamisch sind die Seitenwagenkarosserien selten entworfen. Sie weisen meist „Projektils-Form auf, während die „Blattlaus“ wegen des geringen Bodenabstandes richtiger wäre. Diese Form, die allerdings für den, der drinnen sitzt, nicht gerade sehr bequem ist, hat bisher nur bei den Brooklandsrennen Eingang gefunden, mit einem Minimum an Gewicht und Querschnitt. Bei Seiten-wagen, die in Strassenrennen verwendet werden sollen, ist darauf zu achten, dass der Passagier während der Fahrt „aussteigen“, sich heraus-hängen kann, ohne sich in übermässige Gefahr zu begeben. Dazu gehören nicht zu knappe Karosserieweite an der Stelle, wo man Bewegungsfreiheit fordern muss, Kissen auf dem Kot-flügel, um das Herausbeugen zu erleichtern und praktische, feste Griffe. Polierte Nickelgriffe sehen sehr hübsch aus, taugen aber wenig, weil man mit der behandschuhten Iiand an ihren glatten Flächen nur sehr schlecht richtigen Halt findet. Die Handlichkeit des Motorrades mit Seitenwagen und seine Wendigkeit im Verkehr haben es mit sich gebracht, dass man den Ver-such machte, eine Reihe von Sonderkonstruktionen zu entwickeln. Als zu ausgefallen und zu unpraktisch muss man den Versuch zweisitziger Seitenwagen ablehnen, so-weit es sich um hintereinander angeordnete Sitze handelt. Der Platz in Seitenwagen ist dagegen doch etwas zu knapp, um zwei Personen bequeme Sitze zu sichern. Es mag noch gehen, einen besonders breiten Seiten wagen anzuhängen, besonders wenn er auf der Motorrad-seite noch ein Stützrad hat, damit das Motorrad er-leichtert werde. Aber solche Wagen kosten schon eine recht beträchtliche Summe, und in der Leistung ist auch keine grosse Differenz zwischen einem solchen Gespann und einem guten Kleinauto zu erkennen, so dass der praktische Sinn dieser Anordnung gleich Null ist. Grosse Hoffnungen setzte man eine Zeitlang auf die Motorraddroschke. Man hat aber in Deutschland den grundsätzlichen Fehler begangen, zu leichte Maschinen (500 ccm) dazu heranzuziehen, deren schneller Verschleiss einen wirtschaftlichen Betrieb unmöglich machte und den Anbau von wirklich geräumigen Seitenwagen nicht gestattete, so dass das Publikum von diesen Vehikeln keineswegs entzückt war. Sehr gut scheinen die Erfahrungen zu sein, die man mit Motorrädern mit Seiten-wagen als Eilliefer- wagen gemacht hat. Wenn an unseren Seitenwagenmaschinen heute etwas auszusetzen ist, dann ist es der Preis. (Und das Fehlen austauschbarer Räder!) Eine gute 500er mit Seitenwagen zu einem günstigen Preise wäre nützlich und sehr brauchbar; sie würde manchen dem Kraftfahrzeug zuführen, der heute noch abseits stellt.

Der Lebensweg des Motorradfahrers ist mit einer unerbittlichen Zwangsläufigkeit vorgezeichnet. Mit einer sehr alten Mühle aus dritter oder fünfter Hand fängt er an. Im Laufe der Zeit werden die Maschinen jünger und eines Tages steht eine fabelhafte neue Supersport im Stall...
Teil 2 von 2


November 2018 - Seitenwagen

DER Lebensweg des Motorradfahrers ist mit einer unerbittlichen Zwangsläufigkeit vorgezeichnet. Mit einer sehr alten Mühle aus dritter oder fünfter Hand fängt er an. Im Laufe der Zeit werden die Maschinen „jünger“ und eines Tages steht eine fabelhafte neue Supersport im Stall, 140 „Sachen“ garantiert. Sonntagsfahrten, Ferienfahrt, Rennen, Zuverlässigkeitsfahrten — das wechselt miteinander ab. Mit 19, 20 Jahren, früher oder später — das hängt vom-Tem- perament ab und von der Jahreszeit, der Mai spielt eine besondere Rolle —, kommt der junge Mann zu der Erkenntnis, dass es nicht gut ist, wenn der Mensch allein sei, und der Gepäckträger des Motorrades wird infolgedessen mit einem Soziussitz behaftet. Es hängt wiederum vom Temperament ab — und von einigen anderen, mehr nebensächlichen Umständen —ob das nun ein Dauerzustand bleibt oder nicht. Gewöhnlich ist es so: die so sehr schnelle ff. Supersport verschwindet nach einiger Zeit; still und fast unbemerkt tritt an ihre Stelle eine solide, ruhige Tourenmaschine, die nun etwas mehr Platz in der Garage beansprucht — ein Seitenwagen ist ihr attaehiert worden. Der erste Schritt zur Pullman-Limousine (zwar winkt sie erst in weiter Ferne . . .) ist getan: aus zwei Rädern sind drei geworden und Rad Nummer vier und fünf werden eines Tages schon kommen.Wie gesagt : dieser Weg ist der Nor-malfall. Er wird in den meisten Fällen zwangsläufig beschritten werden, als Resultat der Beschaffenheit menschlicher Natur. Es gibt natürlich auch Ausnahmen. Fahrer, die das Fahren mit Seitenwagen rein sportgemäss als hohe Kunst betreiben. „Papi“ Theobald z. B., der neulich in Garmisch das Winter- bergrennen gewonnen hat, hat eine Renn-Victoria, 32 PS, die ist minus Seitenwagen unter Freunden gern drei Mille wert. Eine Maschine, die abzieht wie der Teufel und — wenn sie in Stimmung ist — mit Seitenwagen und zwei Mann ihre 125 macht. Und Hans Stinnes hat einmal eine Brough gehabt, 6000 RM. hat ihm die gekostet, mit Zoll und Ausrüstung. Aber welch ein (jefährt! 45 Pferde hat der grosse Jap gegeben — unter 90 fühlte sie sich nicht recht behag-lich — auf der Avus hat sie ein-mal 140 Stunden-kilometer erreicht, richtige Kilometer: tausend Meter das Stück! Aber, wie . erwähnt: das sind Ausnahmen. Für die ändern ist der Seitenwagen eine Familienangelegenheit. Der erste Schritt vom Aben-teurer ins bürger-liche Leben. Drei Räder sind sicherer als zwei — darüber ist nicht zu diskutieren. Wo sieh ein Solofahrer mühsam durchbalanciert, in jeder Sekunde des Stürzens gewärtig, da kommt der Fahrer mit Seitenwagen noch schön durch. Schmieriger Asphalt und vereiste Strassen sind halb so schlimm, wenn man mit Seitenwagen fährt, und manchmal ist gerade das Gespann das Richtige, sehr viel besser als das Motorrad und auch dem Wagen überlegen: man hat das Gefährt, Motorrad mit Seitenwagen, besser in der Hand. Soll man die Entwicklung des Seitenwagens „kultur-historisch“ schildern, so muss man ungefähr beim Jahre 1900 anfangen. Das Motorrad war damals ein garstiges Instrument, das man mit grossem Misstrauen betrachtete — nach unserer heutigen Auffassung von damaligen Fahrzeugen sehr zu Recht. Den Anfang machte der Vorsteckwagen. Die Vordergabel des Motorrades wurde entfernt, man stützte die Maschine auf ein kleines zweirädriges Gestell, schwenkbar um den Steuerkopf, auf dem Gestell vor der Maschine war ein Korbsessel. Schnell fahren konnte man ja nicht mit diesem Fahrzeug. Dazu war es aber auch gar nicht er-dacht und gebaut. Es taugte eher zum würdevollen Promenieren; war man tapfer, so konnte man damit einen Sonntagnachmittagsausflug wagen. In der gleichen Zeit wurde auch der Anhänge- w a g e n erfunden. Die Verbindung zwischen Motorrad und Beiwagen war da einfacher: eine Deichsel führte von dem zweirädrigen Wägelchen zu einem Auge unter der Sattelstütze. Bequem wird die Fahrt im „Anhänger“ nicht gewesen sein, taxiere ich. Denn der Insasse bekam ja alle Widerwärtigkeiten aus erster Hand: Staub und Auspuff qualm. Und die Aussicht bestand in erster Linie aus dem Blick auf den mehr oder weniger breiten Rücken des Vordermannes. Der Vorsteckwagen war keine Lösung des Problems, auf möglichst anständige und auch schonende Art einen Passagier mitzunehmen. Der Anhängewagen ergab auch unbefriedigende Resultate; in der Tat, man war in engeren Kreisen auf ihn erzürnt. Soll es doch zu etlichen Malen vorgekommen sein, dass die Verbindung zwischen Motorrad und Seitenwagen — ob beabsichtigt oder nicht, das weiss ich nicht — sich gelöst hat, ohne dass der Motorradfahrer davon Kenntnis genommen hatte und weiterfuhr. Auf der Suche nach weiteren Gelegenheiten, am Motorrad einen Beiwagen zu befestigen, kam man auch auf den seitlichen Anschluss. Wie wenig man sich davon erhoffte, mag daraus hervorgehen, dass noch erhebliche Zeit nachher ernsthaft darüber diskutiert wurde, ob Vorsteck-, Anhänge- oder Seitenwagen praktischer seien. Eine direkte Deszendenz zwischen dem Seitenwagen von vor 25 Jahren und dem von heute ist schwer festzustellen. Vielfach gebogenes Stahlrohr ergab ein primitives Fahrgestell, auf das ein Sessel aus Korbgeflecht gestellt wurde. Der Seitenwagen von 1929 ist schon beinahe ein kleines Auto; bequem, eine raffinierte Schöpfung moderner Karosserietechnik, die uns beinahe vergessen lässt, wie sehr im Grund der Seitenwagen nur ein Notbehelf ist. Der Techniker ist sich darüber klar, dass der Seitenwagen mit dem Wechsel-getriebe auf einer Stufe steht, eigentlich untechnisch und roh, aber es geht. Und es geht sogar recht gut! Bis in die jüngste Zeit war der Seitenwagen der gegebene Kleinwagenersatz. Und erst, seitdem sich die Kleinwagenpreise an die Grenze der 2000 und zum Teil noch darunter gesenkt haben, hat die Kombination Motorrad/Seitenwagen etwas an Beliebtheit eingebüsst. Aber trotz der bedrohlichen Kleinwagenkonkurrenz hat sich das schwere Motorrad bei denen Freunde erhalten, die mehr technischen Komfort der Bequemlichkeit vorziehen: Schnelligkeit und höhere Beschleunigung, ermöglicht durch das günstigere Verhältnis zwischen Hubvolumen und Gewicht. Die verschiedenen angenehmen Eigenschaften des Motorrades mit Seitenwagen haben in der Vergangenheit mehrfach Konstrukteure dazu verführt, die trennbare Liaison zwischen beiden Elementen fester zu gestalten und ein Fahrzeug zu bauen, das sich als neue Zwischenstufe zwischen Motorrad mit Seitenwagen und Kleinwagen einschiebt. Konstruktiv w aren diese Gebilde samt und sonders kleine Ungeheuer, der Meerdame mit dem Fischschwanz nicht ganz unähnlich. Da gab es — es wird jetzt gegen 20 Jahre her sein — das Enesumobil, wie der Name schon diskret andeutet, von NSU. gebaut. Die ersten ‘AA Meter war das Fahrzeug ein richtiges braves Mo-torrad, eine schwere NSU. Der Rest bis zu den Hinter-rädern war der Versuch eines Kleinautos. Wie die Konstruktion im Übrigen beschaffen war, kann ich leider nicht mehr genau angeben. Ich kenne das Ding nur aus einem Inserat in einer alten Nummer der „Jugend“. Kurz vor Kriegsausbruch erschien das englische Scott- Sociable. Hier war die Anlehnung an das Motorrad • etwas strenger gewahrt. Auf einer Seite war, wenn auch teilweise verkleidet, ein richtiges Scott-Motorrad, aber ohne Sattel. Nebendran war ein Seitenwagen, zwei Sitze nebeneinander und hinten war ein halber Platz. Gelenkt wurde das Fahrzeug 5 allerdings wie ein richtiges Auto mit Lenkrad und Spurstange; nur, dass eben auf einer Seite ein Rad fehlte, \ Dieses Scott-Sociable mag, sich da, wo man auf Aeusseres gar keinen Wert legte, j ganz gut bewährt haben. Der < wassergekühlte Zweitaktmotor zog recht ordentlich. Es hat sich bis in die Nachkriegszeit gerettet, wurde um 1922 noch gesehen und starb dann unauffällig. Auf dem Pariser Salon 1924 sah ich zum ersten und auch letzten Male ein merkwürdiges Vehikel, das kürzer w7ar als sein Name: Auto-Side-Comfort Blauseur. Ein Zweitakter, 350 ccm, sass in einem Rahmen, der den des Motorrades mit dem Chassis des Seitenwagens verband. Der Fallier sass auf dem Motorrad. Für ein Kleinauto war das Ding zu leicht und zu sehr motorradmässig, als Motorrad mit Seitenwagen aber war der Motor wohl etwas zu schwach, so dass es nicht mehr auf den nächsten Salon fahren konnte. Zwei Dinge waren an der Maschine auffällig: der blaue Anstrich, richtig himmelblau und immens grosse Ballonreifen. (Ich glaube, die waren von einem Omnibus geklaut...) Bauten früher gewöhnlich die Motorradfabriken ihre Seitenwagen selbst, so ist heute die Seitenwagenfabrikation ein selbständiges und — wie man wohl annehmen darf — rentables Gewerbe geworden. Das ist auch ganz richtig. Denn Seitenwagenbauen ist keine einfache Sache; es gehört Erfahrung

Der Lebensweg des Motorradfahrers ist mit einer unerbittlichen Zwangsläufigkeit vorgezeichnet. Mit einer sehr alten Mühle aus dritter oder fünfter Hand fängt er an. Im Laufe der Zeit werden die Maschinen jünger und eines Tages steht eine fabelhafte neue Supersport im Stall...
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Oktober 2018 - Die Nachfertigung eines Soziussattels

Die Nachfertigung eines Soziussattels - Teil 2 Die Befestigung. Nachdem die Befestigung konstruiert und gezeichnet war, habe ich die Teile ausschneiden lassen. Somit fällt das mühsame zuschneiden, sägen und feilen weg. Mit Hilfe eines Biegeapparates wurde der Scharnierteil gebogen. Die Nieten wurden aus Stangenmaterial von Hand gefertigt. Die Teile im Rohzustand. Bereit zum Biegen. ...es wird! Die Scharnierteile sind fertig gebogen. Die Biegung der Schelle entsteht... Der Nietrohling nach der ersten Behandlung mit dem Hammer.  Beim Vernieten der zweiten Seite. Nach dem Anpassen der Länge sowie Feilen des Vierkantloches ist die Scharnierrohrschelle fertig. Die Flacheisen habe ich auf einer Spindelpresse abgesetzt, damit später das Rohr des Gepäckträgers auf der gesamten Länge aufliegt. Die Scharnierrohrschellen werden mit dem Flacheisen vernietet... ...und bündig gefeilt. Die Befestigung ist soweit fertig. Vorne musste ich noch eine kleine Aussparung aufgrund einer Schelle am Gepäckträger ausfräsen. Die Lederstreifen sollen ein Scheuern auf den Gepäckträgerrohren verhindern. Die Befestigung samt Schloss- und Senkkopfschrauben wurden schwarz lackiert. Das rohe Holz des Sattels habe ich schwarz lasiert. Die Krampen wurden nach dem Vernickeln angeschraubt. Den Lederriemen habe ich ebenfalls selber angefertigt. Der fertige Sattel auf dem D-Rad montiert.

Da ein intakter Soziussattel, wie er in der Ersatzteilliste der R0/4 abgebildet ist, kaum zu finden ist, habe ich via VFV-Forum nach einem Muster gesucht...
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September 2018 - Die Nachfertigung eines Soziussattels

Das Muster Da ein intakter Soziussattel, wie er in der Ersatzteilliste der RO/4 abgebildet ist, kaum zu finden ist, habe ich via VFV-Forum nach einem Muster gesucht. Ein Oldtimer-Freund stellte mir freundlicherweise einen Sattel zur Verfügung, um dessen Machart zu untersuchen und einen Nachbau in Form und Dimension gleich anzufertigen. «Glücklicherweise» war das Leder teilweise gerissen, sodass ich auch Einblick in die innere Konstruktion hatte. Auf alten Fotos sieht man verschiedene Sättel dieser Machart - ein damals gängiges Zubehörteil. Die Form dieses Sattels ist in meinen Augen sehr gefällig und genau passend für ein D-Rad RO/4. Den Sattel stellte übrigens die Firma «ARDENA» her. Nach langen Recherchen konnte ich im Internet zwei Hinweise finden: die Firma hiess «Ardena Lederwaren-Aktiengesellschaft» und war in Moys-Görlitz (heute Polen), beheimatet Der Betrieb firmierte bis 1923 unter dem Namen «Julius Arnade» und stellte allerlei Lederwaren her; u.a. Soziussitze, Autokoffer, Schlauchkoffer und einen sogenannten Leibriemen «Halt fest» für Sozius - was das ist, konnte ich leider nicht ausfindig machen. Der Aufbau. Der innere Aufbau des Sattels ist sehr simpel. Zwei Holzbretter und vier starke Federn bilden das Grundgerüst. Seitlich angebrachte Polstergurten begrenzen den Weg und verhindern, dass die Federn aus ihrer Position springen. Was als Polsterung diente, konnte ich nicht sehen. Jedenfalls ist der Sattel sehr hart und genauso (un)bequem wie ein Stein... Das Leder war fast schwarz; andere Sättel sind auch in helleren Farbtönen ausgeführt. Vorarbeit und benötigtes Material. Zuerst habe ich eine Skizze des Aufbaus erstellt. Auf vielen alten Fotos sieht man, dass der Sattel nur mit Lederriemen am Gepäckträger befestigt war. Da mir dies zu wacklig und unsicher ist, habe ich die Halterungen anhand der Bilder in der Ersatzteilliste der RO/4 gezeichnet und ebenfalls hergestellt. Das Holzbrett ersetzte ich durch eine wasserfeste Mehrschichtplatte aus dem Fahrzeugbau, welche phenolharzgetränkt ist. Dies hat den Vorteil, dass sie in alle Richtungen belastbar ist und nicht in der Faserrichtung brechen kann. Das Leder kaufte ich bei einem Händler, nachdem ich mich für ein helles Fettleder vom Rind entschieden habe. Arbeiten in der Werkstatt. Die Sperrholzplatte spannte ich auf eine weitere Holzplatte und fräste die Taschen für die Federn und danach die Aussenform aus. Das untere Brett bekam vier zusätzliche Bohrungen für Einschlagmuttern zur Befestigung des Sattels. Des Weiteren fräste ich die braune Phenolharz-Schicht auf einer Seite weg, damit es von unten wie «echtes» Holz aussieht. Die Sattlerarbeiten. Ich suchte jemanden, der mir die Sattlerarbeiten mit Liebe und vor allem mit alten Materialien ausführen kann. Nachfolgende Fotos stammen von der Raumausstattermeisterin und zeigen den Verlauf der Sattlerarbeiten. Die Polstergurten werden aufgenagelt. Am unteren Brett wurden sie später seitlich vernagelt, wie es auf der Skizze ersichtlich ist. Der Sattel wird mit Jute überzogen. Afrik (Palmfaser) dient als Polsterung. Es folgt das Aufspannen des Leinen-Stoffs. Die Polsterwatte ist aufgelegt. Die Formen werden mit Hilfe einer Plastikfolie aufgezeichnet und das Leder wird danach zugeschnitten. Die einzelnen Lederteile wurden miteinander vernäht und nach dem Festnageln des Leders ist der Sattel fertig!

Da ein intakter Soziussattel, wie er in der Ersatzteilliste der R0/4 abgebildet ist, kaum zu finden ist, habe ich via VFV-Forum nach einem Muster gesucht...
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August 2018 - Suzanne Körner

Sie fragen mich, mein Herr, warum ich unter den vielen Sportarten, in denen sich auch Frauen auszeichnen, den „gefährlichen" Motorradsport gewählt habe? Ich darf aus der soeben von Ihnen gehörten Kritik meiner Fahrkunst entnehmen, dass Sie dem Damenmotorradsport mehr Wohlwollen als gegenteilige Empfindungen entgegenbringen. Ich bin gewiss, dass Sie die Erfahrung mit mir teilen, dass bei allem, was man kann — durch fleissiges Erlernen und Ueben — die genau kontrollierte Handlungsweise Hemmungen aller Art auszuschalten imstande ist. Dass uns finstere Dämonen auf Weg und Steg belauern, ob wir auf zwei oder vier Rädern oder Dreiachsenwagen daherkommen, wissen Sie so gut wie ich, und weil Sie abergläubisch sind, winken Sie ab. Aber ich will auch auf den zweiten Kern Ihrer Frage ein- gehen. Ich habe den Motorradsport nicht „gewählt“. Ein Kenner „wählt“. Das Schulmädelchen vor sieben Jahren hatte im ersten Friedensjahr nach dem Kriege bestimmt noch nicht viel vom Motorradsport gesehen. Es gibt Leute, die Theaterkinder genannt werden; will man mich ein Kind des Motorradsports nennen, so bietet die väterliche Berufs- und Sportzugehörigkeit eine Berechtigung dazu. Als Fünfzehnjährige im Jahre 1919 wurde ich zum ersten Male auf dem Soziussitz einer Mars-Maschine „mitgenommen. Ich war nicht das einzige Familienmitglied, das das „Liegen der schweren Maschine steigern durfte; aber es stellte sich bald heraus, dass sich bei mir ein besonderes Talent für diese Beschäftigung zeigte. Ich war nicht nervös und immer „bei der Sache“. Ich „ging in die Kurven", gab Fahrtrichtungssignale, che sie von Polizeivorschriften streng gefordert wurden, übersah weder Tank- noch Frühstücksgelegenheiten und nahm mich des Kartenmaterials an. Ich bekam nun hochschäftige helle Lederstiefel mit breitem, männlichen Absatz, weissgraue Breeches mit dazugehöriger Jacke und eine unter dem Kinn zu schliessende Kappe. Den energischen Lebenstönen unserer „Weissen Taube“ gegenüber kannte ich keine Bangigkeit, nur kindliches Vertrauen auf Erfüllung meiner Reisewünsche. Vertrauen, Liebe und Kennenlernenwollen sind eins oder folgen doch aufeinander. Mein Lehrmeister verdolmetschte mir die Gegenliebe der „Weissen Taube". Ich wurde mit der teilweisen Pflege der Maschine betraut, bis sich meine Obliegenheiten erweiterten. Das Selbstfahren erlernte ich auf einem Evans-Leicht- motorrade auf unbebauten Asphaltstrassen meiner Heimatstadt Berlin. Die erste Fahrt ging um ein übersehbares, dreieckig geschnittenes Baugrundstück. Ich sehe noch heute, wie man drüben die Arme hochwarf, als mich in der spitzen Kurve eine Droschke überholte, aber — Gas weg — alles ging gut. Nein, so schnell wurde ich dem klein- sten der Motorräder nicht untreu, und ich schätze es heute noch als Fahrradersatz und darüber hinaus. Eine Tagestour bis Naumburg an der Saale war meine erste grössere Fahrt. 1922 folgte die klassische A.D. A. C.-Veranstaltung „Rund um Belzig“, und dann die Reichs- fahrt. Ich glaube wohl, dass eine auf steuerfreiem Motorrad zurückgelegte fünfstellige Kilometerzahl herauskommt, ehe ich zur 250-ccm-Maschine überging. Ueber meine inzwischen erworbene Landstrassenpraxis ist zu sagen: Ich durfte schon mit „alten Fahrern" konkurrieren. Auf heikle E v e n t u a l i t ä t e n hielt ich mich nicht ein, man fährt oft schneller, wenn man manches Hindernis umgeht, statt es allzu kühn zu „nehmen". Ich bleibe gern fest im Sattel und bewahre die Ruhe. Dieses Verhalten fand auch immer die Anerkennung meiner männlichen Sportskameraden, die gern hilfsbereit sind, nicht aber die Opfer weiblicher Unüberlegtheiten und Launen werden wollen. Meinem sich steigernden „Kraftverlangen" entsprach das 500-ccm-D-Rad, das mich ehrenvoll über 450 km Tagesrundstrecken brachte, „Rund um Anhalt“, „Schleswig“ und andere. Sie lächeln, weil ich Ihnen bisher meine Erfahrungen mit englischen Maschinen vorenthalten habe, und zwinkern mit dem rechten Augenwinkel, weil Sie auf meine privaten ausländischen Angelegenheiten anspielen wollen. Während eines Jahres hatte ich auch in Deutschland Gelegenheit, die schwere Raleigh zu fahren, die mich in die schwere Kategorie eingewöhnte. Auch lernte ich die elegante, schnelle A.J.S. lieben, eines der bekanntesten englischen Fabrikate. Ueber meine Erfahrungen auf englischen Landstrassen kann ich nur wieder- holen, dass sich jeder Motorradfahrer drüben wie im Paradiese vorkommt, denn selbst die meisten Hauptverkehrsstrassen auf dem Kontinent können noch nicht mit den englischen konkurrieren. Einen Teil des westlichen Kontinents habe ich auf meiner Fünfländerfahrt im Dezember 1926 berührt, und zwar auf der grossen Heerstrasse über Lüttich, Brüssel. Die Fünfländer- fahrt vermittelte viele und schätzenswerte neue ausländische Bekanntschaften mit Sportskameraden, besonders mit Ladies Motorcycle Clubs, denen gegenüber ich die Mitgliedschaft des Deutschen Damen-Automobilklubs, des D.M.V. und einer Anzahl seiner Kartellklubs vertreten durfte. Ich hoffe zuversichtlich, dass es auch in Deutschland recht bald zu einem Zusammenschluss motorradfahrender Damen kommen wird, dass man auch bei uns von einem Damensport im eigentlichen Sinne sprechen kann. Bisher wurden wir bei motorradsportlichen Veranstaltungen in die Reihen der männlichen Konkurrenten eingefügt. Bei der Bewertung der Leistungen fand sich immer ein Plus zu unseren Gunsten, das wir in diesem Sinne nicht beabsichtigten. Wir wollen nicht (von Ausnahmefällen abgesehen) mit männlichen Höchstleistungen konkurrieren. Bei Zuverlässigkeitsprüfungen, bei denen es doch in erster Linie auf das Maschinenmaterial ankommt, wird eine gemischte Beteiligung niemals unerwünscht sein. Dasselbe gilt natürlich für den Automobilsport, dem ich in jüngster Zeit nähertrat. Der Wagen ist jetzt aber auch bei uns so ausschliesslich Verkehrsmittel geworden, dass mir mein Motorrad beinahe als ein geeigneteres Mittel des Motorsports erscheint. Der Wagen bietet allerdings viele VOM teile der Bequemlichkeit; wer dem Motorrade aber nicht ganz entsagen will, montiert ihm einen Beiwagen an.

Ein Interview mit der gendären Motorsport-Frau aus den 20er Jahren, welche u.a. auch mit D-Rad unterwegs war.


Juli 2018 - Die Grundprinzipien der Magnetzündung

In der vorliegenden Abhandlung sollen die Grundprinzipien der Hochspannungsmagnetzündung erklärt werden, wobei auch der Aufbau unserer modernen Zündapparate in grossen Zügen erläutert werden soll.


Juni 2018 - Klagen einer Sozia

Der Soziussitz ist eine feine Erfindung. Er sieht braun oder schwarz aus, er hat einen Lederüberzug und in ihm tanzen Spiralfedern. Manchmal federt er allerdings nicht — dann ist er kaputt oder schlecht und man sollte sich eigentlich nicht daraufsetzen. Jedenfalls hat man vom Soziussattel aus Gelegenheit, vielerlei zu beobachten und manches festzustellen. Alles Schöne, als da sind herrliche Landschaften. Sonne, Luft, idyllische Dörfer, einsame W älder usw. sind bereits überall genug beschrieben; nur an die Schattenseiten wagen sich die meisten nicht ran! Ich will mich nun heute auflehnen, will etwas schimpfen über alles, was mir beim Motorradfahren nicht gef ällt. Vielleicht ist noch eine Dame da, die mit mir fühlt? Motorradfahren macht viel L ärm. Wie oft kommt es vor, dass man seinem ,,Sozius" so recht etwas Nettes sagen möchte. Erst haucht man es „ihm" leise zu, dann spricht man lauter, zum Schluss brüllt man — auf sein achselzuckendes „Was?" ist man ärgerlich und sagt überhaupt nichts mehr. So geht es immer. Der L ärm vermehrt sich übrigens auch noch bei abnehmender PS-Zahl. Ein halbes Pferd ist lauter als zwölf ganze. Ueberschrift: L ärm plus Krach gleich Mucke-Picke. Weiter: Ist es nötig, dass viele Leute ihre Morgenzeitung ausgerechnet beim Ueberschreiten des Fahrdammes lesen? Sie überhören prompt das heranbrausende Motorrad — alle Bremsen quieken — und 10 Zentimeter vor dem Lesegierigen bleibt die Maschine glücklich stehen. Empört wischt sich der beinahe Angefahrene das Muster des Pneumatiks vom Paletot, w ährend eine entsetzliche Schimpferei zwischen dem Fahrer und dem Passanten einsetzt. Und das wird oft so arg. dass man zu dem ausgestandenen Schrecken noch knallrot wird. . . . Oder ist es nötig, dass alle Frauen mit Einholekörben und Hunden an der Leine sich ausgerechnet zum Klatschen auf den Fahrdamm stellen? Ist man vorüber, schimpfen auch diese über Motorr äder im allgemeinen und unseres im besonderen, fluchen über den Qualm der Maschine und wünschen uns alles Schlechte. H ässlich ist auch das ganz grundlose Hinter-dem-Rad-herrufen. Bierkutscher, halbwüchsige Burschen oder Schuljungens tun das mit Vorliebe. Die ersten paarmal f ällt man bestimmt darauf rein, dreht sich bestürzt um oder h ält gar an, im Glauben, etwas Wichtiges verloren zu haben. Man wird eben die ewige Angst um das Puderdöschen oder die Handtasche nicht los! Warum "rollern" kleine Jungens in verkehrsreichen Strassen stets auf dem Fahrdamm, zum Aerger aller Motor- fahrer und unter eigener Lebensgefahr? Es geht doch ebensogut auf dem Bürgersteig! Sollen sie doch Fussg ängern über die Beine fahren. Nur uns dürfen sie nicht unter die R äder kommen! Leute, die blindlings hinter der fahrenden Strassenbahn herrennen. für nichts Augen und Sinn haben, als der davonjagenden nachzueilen, sind mit auch sehr unsympathisch. Wenn auch vielleicht nichts passiert, die arme Sozia bekommt immer den grössten Schreck! Ueberhaupt die Strassenbahn! Sie ist bekanntlich ein vorsintflutliches, für die Grossstadt l ängst überlebtes Vehikel ohne Existenzberechtigung. Gewiss, in „Müllrose" oder „Klein-Scheibenkleister" ist sie sehr angebracht, da haben die Leute ja auch Zeit, aber in Berlin! Die Strassenbahn allein hat das Recht, ohne Zeichen zu geben, von der Mitte der Strasse rechts in eine Querstrasse einzubiegen. Wer zeigt mir den Schaffner, der eine Hand heraush ält? So etwas gibt es eben nicht! So f ährt das Motorrad nichtsahnend hübsch geradeaus — plötzlich biegt die „Grosse Berliner" rechts ab — und wenn alles gut abgelaufen sein sollte, endigt die Sache mit der obligaten Schimpferei und dem Rotwerden. Wenn es aber vorkommt, dass gem ächlich einige Schritte vor dem Motorrade ein voll- beladener Lastkraft- wagen mit zwei ebenso schweren Anh ängern f ährt, der Fahrer vorn seine schwarze Hand gewissenhaft nach links heraush ält und der Zug dann prompt nach — rechts einbiegt, dann verliert selbst der Beste den Glauben an die Menschheit, steigt ab und trinkt einen Kognak auf den soeben ausgestandenen Schrecken. Entsetzlich sind auch die Radfahrer. Diese kümmern sich nicht im geringsten um irgendeine Fahrregel, und tun nur immer das, was ihnen gerade gef ällt. Der eine kratzt eine Schramme in den nagelneu lackierten Seitenwagen, der andere legt sich und sein Zweirad drei Meter vor dem Motorrade aus Versehen ins Nasse oder ein anderer wieder heftet sich wie eine Klette hinten an die Maschine, hört jedes Wort, was man mit dem Sozius spricht, mit an und weicht erst, wenn man, um ihn loszuwerden, mit Vollgas entflicht. Dann kommt er glücklicherweise nicht mit. Radeln Frauen oder M ädchen voraus, so sollte ein menschenfreundlicher Motorradfahrer absteigen, leise weinend seine Maschine umdrehen, und im Vollbewusstsein, ein Unglück verhütet zu haben, heimw ärts — laufen. Sehr schlimm ist es, wenn an regenarmen Sommertagen ein Auto unserem Motorrad entgegenkommt oder dieses überholt. Weit, am Horizont der Landstrasse, sieht man zun ächst nichts weiter als eine unheimliche Staubwolke, die langsam n äherkommt. Vom Auto selbst keine Spur. Um nicht den ganzen Staub zu schluc- ken, ist folgendes Mittel zu empfehlen: Kurz vor dem gegnerischen Fahrzeug holt man tief Atem, zieht dann das Taschentuch hervor h ält es sich vor die Nase und wartet mit dem n ächsten Luft- holen, bis sich die Staubwolken einigermassen verzogen haben. Dieses neckische Spiel kann man des Sonntags auf belebten Landstrassen stundenlang hintereinander treiben! Oft bekommt man auch seinen eigenen Qualm in die Nase. Und das kommt so: Plötz- lich dreht man um, weil eine andere Richtung scheinbar schöner ist. Die Auspuffgase bleiben auf demselben Fleck stehen, und man kann auf diese Weise seinen eigenen Qualm aus erster Quelle beziehen. Dann erst kann man verstehen dass andere Leute schimpfen! Kennen Sie übrigens den Dorfidiot? Nein? Dann achten Sie bitte bei Ihrer Ausfahrt auf ihn, er wird Ihnen sicher begegnen. Er ist fast immer der erste Mensch, der uns Motorradfahrern am Eingang eines Dorfes entgegentritt. Sollten Sie ihn nach dem Wege fragen, wird er Ihnen durch seltsame Geb ärden, komisches Benehmen und entsetzliche Dummheit auffallen. Er weiss das Nachbardorf nicht anzugeben und kennt au! keinen Fall den einzigen Gasthof oder die Tankstelle seines Heimatdorfes. Das ist der Dorfidiot. Er ist ein Begriff für sich und jeder Motorradfahrer wird schon einem solchen begegnet sein. Man hat sie jung, alt und im Mittelalter. - Uebrigens sind die vereinigten Dorf-bewohner niemals in der Lage, irgendeine Auskunft zu geben; sie kennen im Höchstf älle den Namen der Nachbarortschaft, sonst nichts. Butter, Eier und Speck bekommt man nirgends auf dem Lande (oder aber sehr teuer), die Dorfbewohner müssen immer erst auf den Lastkraftwagen aus Berlin warten, der die Lebensmittel bringt. Wirklich! Eigene Erfahrung! Sehr praktisch ist übrigens auch, dass gerade an Sonn- und Feiertagen, die bekanntlich von allen Motorsportfreunden benutzt werden, um ins Freie zu fahren, viele Garagen geschlossen sind. Gewiss, man sollte Notbenzin bei sich haben! Aber man kann es auch einmal vergessen oder zu wenig bei sich führen, dann droht das Schicksal doppelt bitter. Schiebenderweise schimpft man vor verschlossenen Toren, aus denen lediglich der Geruch der so ersehnten Flüssigkeit dringt. Sonst Schweigen. Die Zapfstellenbesitzer haben Oel, Benzin und Trichter laufen lassen und sind auch ins Freie gefahren. Ach, und in solchen Augenblicken riecht man auch als Sozia Benzin viel lieber als das herrlichste Tai-Tai-Parfüm. Ist es unbedingt notwendig, dass zer- brochene Selterflaschen und andere Scherben oder rostige N ägel und der- gleichen ausgerechnet auf dem Fahrdamm ihr Dasein beschliessen? Mein grösster Schrecken ist stets eine Reifenpanne: 1. stundenlange Arbeit; 2. die Kleidung von oben bis unten schmutzig; 3. abgebrochene Fingern ägel und 4. f ährt es sich viel besser bequem im Seitenwagen, als unbequem auf der Landstrasse im Staub zu sitzen. Solch ein Reifen, Typ Ballon, geht doch zu schwer ab! Und alles das wegen einer noch nicht einmal heilen Selterwasserflasche! N ächtliches Fahren kann der armen Sozia oft an die Nerven gehen. Jedes Fahrzeug, ob gross oder klein, muss vorn ein Licht tragen. Hinten ist aber meistens keins dran. Gewiss, Autos haben ihre erleuchtete Nummer; Motorr äder, wenn deren Besitzer klug sind, eine kleine Schlusslampe, aber Fuhrwerke, als da sind Milchkarren, Möbelfuhren, Handkarren usw. fahren völlig unbeleuchtet ihres Weges. Plötzlich taucht im sp ärlichen Schein der eigenen Lampe eine dunkle Masse auf. Entweder glückt ein plötzliches Bremsen oder aber es gibt einen hörbaren Bums. Zumindest bekommen alle Teilnehmer dieser Nachtszene einen gehörigen Schrecken. Die Sozia natürlich wie immer den grössten. Ihr er-scheint überhaupt hinter der zellonenen Windschutzscheibe die Welt noch um einen Grad trüber als sie ohnehin schon ist. Immerfort bittet sie „ihn", ja recht langsam zu fahren, und entsetzt sich ganz fürchterlich, wenn plötzlich über einem Hügel die überhellen Lichter eines Autos auftauchen, und sie ist erst beruhigt, wenn jenes langsam abblendet. Hat vorn der Fahrer aus drei Gründen keine Brille: 1. weil er sie vergessen hat; 2. weil sie kaputt ist; 3. weil er kein Geld hat, sich eine neue zu kaufen, so passiert folgendes: Seine ohnehin empfindlichen Augen strömen über, Tr äne auf Tr äne fliegt nach hinten, vom Luftzug getragen, in das Gesicht der Soziusbraut, die diese ablenkt oder abputzt, je nach dem Grad der Sympathie Besagte Tr änen schmecken übrigens salzig und sind etwas klebrig. So sieht, hört und beobachtet die Sozia eines Motorrades mancherlei Dinge. Ihr Ohr wird unendlich fein für jeden Missklang im Ton des Motors, ihr Auge sch ärft sich durch das Ersp ähen aller Landstrassenkuten bei einer Nachtfahrt auf rabenfinsterer Chaussee. Durch den steten Aufenthalt in freier, gesunder Natur. der in dem Masse nur durch das Motorrad erreichbar ist. wird sie frisch und sonnenverbrannt und sieht weit mehr von der Welt wie andere, die nicht Motor- radsozia sind. Und schon deshalb ertr ägt man die kleinen, hier beschriebenen M ängel ganz gern.

Der Soziussitz ist eine feine Erfindung. Er sieht braun oder schwarz aus, er hat einen Lederüberzug und in ihm tanzen Spiralfedern. Manchmal federt er allerdings nicht - dann ist der kaputt oder schlecht und man sollte sich eigentlich nicht draufsetzen...


Mai 2018 - Style Guide 20. Jahrhundert

Style Guide 20. Jahrhundert Welcher Hut zu welchem Kleid und wann passt die Knickerbockerhose? Dieser Style Guide soll ein paar allgemeine Tipps geben, wie man sich im 20. Jahrhundert gekleidet hat. Es lohnt sich auch die vorangehenden Jahrzehnte anzusehen und die Entwicklung zu beobachten. Nicht jeder neue Trend wurde gleich von allen mitgemacht. Viele Kleidungsstücke wurden ausgetragen, besonders von ärmeren Familien. Jüngere hingegen haben sich nach Möglichkeit an der Mode orientiert um sich damit von der älteren Generation abzuheben. 100 Jahre Mode lassen sich nicht mit allen Details in wenigen Zeilen zusammenfassen. Wir haben hier jedoch versucht, die wichtigsten Entwicklungen der Mode im deutschsprachigen Raum zu beschreiben. Für weitere Einzelheiten und auch länderspezifische Eigenheiten beraten wir Sie gerne persönlich und individuell. Damen Das allgegenwärtige Korsett schnürte die Taille teils extrem ein und führte zur damals modischen Wespentaille. Dabei wurde die Hüfte nach hinten und der Brustkorb nach vorne gedrückt. Als Grundkleidung diente ein fast bodenlanger, meist dunkler Rock, sowie eine hochgeschlossene Bluse. Tageskleider aus Leinen oder Wolle in gedeckten Farben waren ebenso hochgeschlossen und je nach Stand mehr oder weniger verziert. Abendkleider durften gerne auch etwas Ausschnitt haben und wurden aus feineren Stoffen gefertigt. Die Haare wurden zu kunstvollen Hochsteckfrisuren geformt und mit teilweise ausladenden Damenhüten kombiniert. Capes, Schirmchen, Handschuhe und Täschchen waren beliebte Accessoires. Zudem wurden gerne fein gearbeitete Schmuckstücke wie Broschen und Haarnadeln getragen, welche nun für viele erschwinglich wurden. Die Reformmode der 1910er Jahre gab der Dame mehr Raum, das Korsett schnürte die Taille nicht mehr so sehr ein. Modische Damen trugen knielange Anzugjacken. Die Röcke wurden gerne mit Stufen versehen und waren nur noch knöchellang. Die Hüte wurden noch grösser und waren oft reich mit Federn verziert. Herren Ohne Gilet und Hut ging der noble Herr um 1900 nicht aus dem Haus. Einfache Arbeiter nahmen das etwas lockerer, der Kopf wurde jedoch unter freiem Himmel mindestens mit einer Mütze oder einem Canotier bedeckt. Die Dreiteiler für den Tag waren oft aus dem gleichen, meist dunklen Stoff gefertigt. Vestons wurden relativ hoch geschlossen und das Revers war zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch schmal. Schnitt und Details waren jedoch sehr individuell. Bei gehobenen Anlässen am Abend wurde der Frack getragen, am Tag der Cut mit gestreifter Stresemannhose oder auch der Gehrock. Der Hosenbund wurde allgemein höher geschnitten als heute und wurde von geknöpften Hosenträgern gehalten. Unter den Hosen getragene Gamaschen schützten Beine und Lederschuhe vor dem Strassenstaub. Die Hemden waren weit geschnitten und hatten bis in die 30er Jahre meist einen Ansteckkragen, welchen man je nach Anlass wechselte. um 1900 / 1910er Jahre Die Mode der Belle Epoque, welche bis etwa 1914 dauerte, war elegant und orientierte sich stark an den Gepflogenheiten des 19. Jahrhunderts. Durch die voranschreitende Industrialisierung veränderte sich die Gesellschaft. War die Mode zu Beginn auf das Erscheinungsbild ausgerichtet, wurde sie nach dem 1. Weltkrieg zunehmend praktischer. 1920er Jahre Damen Das enggeschnürte Korsett wurde nun nicht mehr getragen und die Kleider wurden gerade und luftig geschnitten. Die Taille wurde optisch auf Hüfthöhe herunter gesetzt und die Brust möglichst flach gehalten. All das war eine Gegenreaktion auf die immer extremer werdende Silhouette der Jahrhundertwende. Die Tageskleider, welche nun auch kurze Ärmel haben konnten, gingen nur noch bis kurz unter das Knie. Am Abend präsentierte man sich in reich verzierten Kleider mit Pailletten oder Fransen. Diese oft ärmellosen Kleider wurden mit langen Perlenketten, Federboas und langen Handschuhen geschmückt. Die Damenhüte hatten meist nur noch kleine Krempen und um 1925 kam die Cloche auf - ein Hut ganz ohne Krempe. Zu Abendkleidern wurden Perlenhauben oder verzierte Stirnbänder getragen. Die Haare trug man knabenhaft kurz, was der Frisur den Namen Bubikopf gab. Herren Das wohl typischste Kleidungsstück war die Knickerbockerhose. Diese gab es zwar schon länger, nun wurde sie jedoch sehr populär und wurde vom einfachen bis zum eleganten Mann getragen. Zudem wurde sie entsprechend der Mode der 20er Jahre weit geschnitten. Dazu trug man sportliche, einreihige Vestons mit aufgesetzten Taschen und Rückenfalte, oder auch nur ein Gilet. Bei eleganten Abendanlässen wurde nach wie vor der Frack erwartet. Der Smoking existierte zwar, war bei uns jedoch noch nicht so verbreitet. Tagsüber wurden häufig dreiteilige Anzüge getragen, oft mit Nadelstreifen oder kariert. Veston und Hose waren luftig und Revers sowie Schultern breit geschnitten. Wohlhabende Herren leisteten sich auch helle Anzüge, die man nur zu speziellen Anlässen trug. Zu sportlichen Anzügen wurden weite Ballonmützen oder Schiebermützen getragen, zu eleganteren Anzügen Filzhüte wie der breitrandige Fedora oder der Homburg. Auch der Canotier - ein flacher Strohhut - war bei allen Bevölkerungsschichten noch immer verbreitet. Viele Frauen mussten während dem Krieg in die Rolle der Männer schlüpfen. Dies veränderte das Frauenbild und auch die Kleidung. In den 20er Jahren ging es den Menschen allgemein wieder besser und man feierte Feste bei denen der Charleston getanzt wurde. Mit dem Börsencrash von 1929 endete dieser Aufschwung der „goldenen 20er“ abrupt. 1930er Jahre Damen Die Röcke wurden wieder etwas länger - bis etwa zur Wade - und die Taille kehrte zu ihrem natürlichen Platz zurück. Um das Budget zu schonen, wurden die Kleider schlicht geschnitten. Aus farbig bedruckten Stoffen konnte man selber einfache, aber schöne Kleider nähen. Als Verschluss kam immer mehr der Metall- Reissverschluss zum Einsatz. Oft wurden aus dekorativen Zwecken jedoch auch Knöpfe verwendet. Ältere Kleider wurden aufgefrischt oder mit einem feinen Gürtel passend gemacht. Designer von Damenmode liessen sich von der Herrenmode inspirieren - neben Kleidern mit Hemdkragen kamen auch die ersten eleganten Zweiteiler mit Rock auf. Die Damenhose war in der Gesellschaft noch nicht akzeptiert und wenn, dann nur zum Ski- oder Fahrradfahren. Damenhüte hatten feine Krempen und wurden dezent geschmückt. Abendkleider wurden an der Schulter und am Rücken freizügiger, verzichteten jedoch meist auf reichhaltige Verzierungen. Während bis anhin alle Kleider auf Mass oder selber gemacht wurden, gab es nun in Paris erste Geschäfte mit Mode ab der Stange. Dieser Trend setzte sich bei uns jedoch erst etwa in den 1950er Jahren durch. Die 30er Jahre waren geprägt von der Wirtschaftskrise. Man war im Allgemeinen sparsam und machte modisch keine grossen Experimente. Herren Während sich die Damenmode stetig entwickelte, blieben die Änderungen bei den Herren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts überschaubar. Wie schon in den 20er Jahren waren zweireihige Anzüge allgegenwärtig - nicht nur bei Mafiosi. Aufgesetzte Taschen und Hosen mit Aufschlägen waren beliebt. Während die Schultern immer noch breit geschnitten und mit Schulterpolstern betont wurden, war die Taille nun etwas enger. Die Hosen hatten normalerweise Bundfalten und eine beachtliche Weite. Bei sportlichen Anlässen und Gartenpartys sah man weisse Hosen mit Pullunder, buntem Sportveston und edle Strohhüte. Als Abendgarderobe löste der etwas lockerere Smoking allmählich den Frack ab. Unter der Smokingjacke wurde ein Kummerbund oder ein tiefgeschnittenes Gilet getragen. Sowohl Gilet wie auch Jacke konnten ein- oder zweireihig sein. Hemden wie wir sie heute tragen setzten sich durch, da sie praktischer waren als solche mit Ansteckkragen. Diese und weitere Accessoires wie Krawatten aber auch Unterwäsche konnte man nun bequem aus Katalogen bestellen. Je nach Anzug wurden elegante Lederschuhe oder zweifarbige Schuhe getragen. 1940er Jahre Damen Die Damenmode der ersten Jahre der 40er war eher schlicht. Die Länge der Tages- und Abendkleider wurde auf Unterknie-Länge gekürzt - auch um Stoff zu sparen. Der Verschluss von Kleidern war oft seitlich unter dem Arm untergebracht. Die Annäherung der Damenmode an die Herren schritt während des Krieges weiter voran. Am deutlichsten zeigte sich dies wohl bei der nun langsam akzeptierten Damenhose mit Bundfalten und weitem Saum. Viele Damenensembles und Kleider hatten breite Schultern mit Polstern. Vestons hatten oft Dreiviertel-Ärmel, während Blusen und Kleider gerne kurze Puffärmel hatten. Broschen und feine Halsketten verliehen der Trägerin Eleganz. Als einfache Möglichkeit ein schlichtes Kleid aufzuwerten, wurden immer noch gerne Hüte getragen. Die Haare wurden mittellang getragen und kunstvoll in Wellen gelegt. Gegen Ende der 40er Jahre entwickelte sich die Mode aufs Neue weiter. Es konnte mehr und kostbarerer Stoff verwendet werden, die Wespentaille kam wieder auf und die Röcke wurden weiter. Herren Mit den Amerikanern kamen neue Einflüsse nach Europa. Sie brachten das T-Shirt und bunte Flanellhemden mit, welche ohne Krawatte und manchmal nicht einmal in der Hose getragen wurden. Diese Kleidungsstücke wurden hauptsächlich in der Freizeit getragen und es dauerte in Europa noch ein paar Jahre bis der neuartige Stil sich von der Jugend auf die Allgemeinheit übertrug. Während bisher zwischen Tages- und eleganterer Abendkleidung unterschieden wurde, behielten nun die Herren auch am Abend ihre Tagesanzüge an. Es sei denn, ein formeller Anlass verlangte nach Abendgarderobe. Die Anzüge wurden zunehmend sportlicher, es wurden gerne fein karierte Stoffe verwendet. Ein gestrickter Pullunder ersetzte für lockere Anlässe oft das Gilet. Während bisher die Hosen mit Knöpfen geschlossen wurden, wurden nun auch Metall-Reissverschlüsse verwendet. Noch immer trug der Herr auf der Strasse einen Hut. Der Fedora mit mittlerer Krempe oder der Homburg-Hut waren am verbreitetsten. Da Stoffe wie viele andere Dinge rationiert waren, war man zurückhaltend mit neuen Kleidungsstücken und so schritt zu Beginn auch die modische Entwicklung nur langsam voran. Der zunehmende Wohlstand wirkt sich auf die Vielfalt der Mode aus. 1950er Jahre Damen Die Mode der 50er Jahre war feminin, lebhaft und abwechslungsreich. Die enge Taille wurde gerne mit weichen Korsetts geformt und mit einem Gürtel betont. Für elegante Anlässe waren 2-teilige Ensembles aus fein gemustertem Wollstoff beliebt. Für sportliche Kleider wurden bedruckte Stoffe verwendet, besonders mit Punkten und Blumen. Die Designer der Zeit liessen ihrer Fantasie freien Lauf. Sie kreierten aufwendige Schnitte und schmückten die Kleider mit Knöpfen und Taschen an ungewöhnlichen Orten. Schicke Accessoires wie kurze Handschuhe, enganliegende Perlenketten, Kopftücher und Ballerina-Schuhe mit gerollten Söckchen waren im Trend. Abendkleider wurden pompöser und konnten nun auch trägerlos sein. Dazu wurden gerne Pelzstolas oder -capes getragen. Ab Mitte der 50er Jahre wurden die Röcke weiter und von Petticoats gehalten. Tageskleider hatten meist nur noch kurze oder gar keine Ärmel. Modische junge Damen trugen hochgeschnittene dreiviertel Caprihosen und vereinzelt auch Jeanshosen. Zu eleganten Ensembles wurden kleine Hüte mit feinen Netzchenschleiern oder Federn getragen. Herren Im Verlauf der 50er Jahre fand ein Wandel in der Herrenbekleidung statt - man kam weg vom eher formellen Anzug, wie er seit Jahrzehnten getragen wurde und bevorzugte legere Freizeitbekleidung. Für den Geschäftsmann waren jedoch graue Flanellanzüge der Standard. Fein karierte Anzüge waren ebenso beliebt. Vestons wurden auch aus Manchester oder Samt angeboten. Modische Hemden gab es nun in vielen Farben und mit länglichem, spitzen Kragen. In der Freizeit wurden sie offen und ohne Krawatte getragen. Jeans-Hosen kamen auch in Europa langsam auf. Sie waren wie alle Hosen der Zeit höher geschnitten als heute. Zu Beginn wurden sie nur von der rebellierenden Jugend getragen - genauso wie Lederjacken, Turnschuhe und einfache T-Shirts - erfreuten sich jedoch bald grosser Beliebtheit. Elegante und ältere Herren trugen immer noch gerne einen Hut. Bei der jüngeren Generation verlor er hingegen Ende der 50er Jahre langsam an Bedeutung. Enge Silhouetten mit schmalen Schnitten brachten einen Wandel in der Mode - bei den Damen und den Herren. 1960er Jahre Damen Das klassische Deuxpièces war für elegante Frauen ein Muss. Das Jacket wurde ähnlich wie die Herrenvestons geschnitten und oft mit grossen Knöpfen geschlossen. Die eng anliegenden Röcke gingen bis etwa zum Knie und waren aus dem gleichen Stoff wie das Jacket - meist Wollstoff. Den engen Schnitten entsprechend wurden auch Gürtelchen, Hüte und Handtaschen feiner. Ab der zweiten Hälfte waren einteilige Etui- oder Bleistiftkleider beliebt, welche am Rücken mit Nylon-Reissverschluss geschlossen wurden. Diese enganliegenden Kleider waren zwar schlicht und kamen ohne grosse Verzierungen aus. Sie wirkten jedoch elegant und bestachen oft durch knallige Farben oder starke Kontraste welche von der populären Op-Art inspiriert waren. Dazu wurden kurz geschnittene Jäckchen in passender Farbe getragen. Damenhosen aus Woll- oder Jeansstoff verbreiteten sich zunehmend. Gegen Ende der 60er Jahre kamen Miniröcke auf, welche über dem Knie endeten und zu Beginn noch sehr skandalös wirkten. Die toubierten Haare wurden mit kleinen Stoff-Hüten ohne Krempe geschmückt. Herren Nach einigen Jahrzenten mit eher weiten Schnitten wurde in den 60er Jahren vieles wieder enger und feiner. Bei den Vestons wurden Einreiher mit engen Schultern ohne Schulterpolster bevorzugt. Die Revers waren schmal. Dazu wurden schmale Krawatten getragen, welche unten oft gerade geschnitten waren. Auch die locker geschlossene Ascotkrawatte war im Trend. Um ein langes, gerades Aussehen zu verstärken, wurden die Vestons teilweise etwas länger. Schräg geschnittene Taschen waren im Trend. Die Hosen waren nun eng, nicht mehr so hoch geschnitten und die Bundfalten fielen weg. Die Farbpalette für Anzüge und Hemden wurde zunehmend bunter und knalliger. Mit seiner schmalen Krempe war der Trilby Hut beliebt, auch wenn Hüte nicht mehr so oft getragen wurden. In England gingen Banker hingegen immer noch mit Melone zur Arbeit. Von all den Anzügen des 20. Jahrhunderts kommt ein Anzug der frühen 60er Jahre einem unserer Zeit am nächsten. In der Freizeit ersetzten gemütliche Lumber und Polo-Shirts nach und nach den Anzug mit Hemd. Die 70er Jahre waren eine wilde und befreite Zeit. Nach der eher einengenden Mode der 60er Jahre kamen nun weite, flattrige Kleider und ungezwungene Anzüge mit Schlaghosen. 1970er Jahre Damen Was die Hippie und Flower Power Bewegung startete, wurde nun populär - die Kleider- Vorschriften fielen weg und alles war möglich: Flattrige Kleider mit Glockenärmeln in wilden Stoffmustern und eng-taillierte Schlaghosen aus Jeans- oder Manchesterstoff. Diese wurden zu Beginn eher von Jungen getragen, fanden jedoch auch bald in der Mode ihren Platz. Im Trend war auch Gestricktes und Gehäkeltes sowie Kleider mit folkloristischen Elementen aus Ländern wie Indien oder Ungarn. Nach dem Minirock kamen nun auch die Hotpants auf und es wurde so viel Bein wie selten bisher gezeigt. Dazu wurden gerne hochgeschlossene Plateaustiefel getragen. Für die Disko trug Frau auffällige Overalls und Glitzer-Kleider, welche nun immer mehr aus Polyester hergestellt wurden. Lange Hosen waren nun für Damen auch bei der Arbeit akzeptiert und wurden dort mit Blusen mit weiten Kragen und bunten Foulards kombiniert. Die Haare wurden gerne lange und offen getragen oder mit Bändern und Kopftüchern zusammen gebunden. Zu Sommerkleidern trug man Hüte mit ausladender, weicher Krempe. Herren In der Mode der 70er Jahre konnte es nicht ausgefallen genug sein - alles war möglich. Die Herrenanzüge hatten weiterhin einen eher engen Schnitt, fielen jedoch mit breiten Revers und weiten offenen Schlaghosen auf. Jeansjacken und sportliche Jacken waren als Alternative zum Veston sehr beliebt. Gilets waren zum Anzug nicht zwingend, dafür in der Freizeit in Form von Fellgilets oder gestrickten Pullundern beliebt. Ebenso Latzhosen und Overalls. Hemden hatten einen langen Kragen, der spitz oder rund sein konnte und waren nun öfters aus Polyester. Die obersten Knöpfe wurden gerne offen gelassen. Wenn hingegen eine Krawatte getragen werden musste, wählte man eine sehr breite aus. Farben, Stoffmuster und Kombinationen konnten nicht schrill genug sein, erst recht beim Disko-Outfit. Der elegante Hut verlor in den 70er Jahren an Bedeutung. Als Alternative kam bei den Jungen vereinzelt die Baseballcap auf. Runde Plateauschuhe mit Ziernähten waren sehr angesagt. In den 80er Jahren teilte sich die Mode wieder mehr in sportliche und elegante Kleidung. Die Mode der 90er Jahre blieb lange ähnlich wie in den 80er Jahren. Mit der Zeit wurden die Schulterpolster wieder kleiner. Die Jeans wurde zur wichtigsten Hose der Freizeit und neben dem T-Shirt gab es für Frauen auch Tops mit feinen Trägern. Auch Rollkragen- und Kapuzenpullover waren beliebt, letztere vorwiegend bei Jungen. Damen Zu Beginn der 80er Jahre war Aerobic in aller Munde und aus der Trainings-Kleidung wurde eine eigenen Mode. Diese wurde auch auf der Strasse getragen - zusammen mit Sneakers. Diese Sportschuhe gab es zwar schon länger, sie verbreiteten sich nun jedoch rasant. Bei der Arbeit zogen sich die Damen hingegen eleganter an, um ernst genommen zu werden. Dezente Zweiteiler mit knielangem Rock oder weiten Hosen waren der Standard. Ab Mitte des Jahrzehnts wurde die sportliche Mode bunter und schriller: Neonfarbige Leggins, enge bauchfreie Tops, elastische Stirnbänder und Arm- und Beinstulpen liessen die Trägerin auffallen. Gleichzeitig wurde die elegante Mode maskuliner: die Schultern wurden mit dicken Schulterpolstern betont - bei Kleidern, Jacken, Blusen und sogar bei Pullovern. Die Oberteile waren teilweise bewusst übergross. Die Hosen hatten eine hohe Taille, weite Hüften mit Bundfalten und wurden unten wieder enger, was ihnen den Übernahmen „Karottenhosen“ einbrachte. Sie waren bevorzugt aus Jeansstoff oder in Pastellfarben. Herren Die Kleidung wurde nach den schrillen 70ern dezenter und die Farben wieder gedeckter. Wie bei den Damen war auch bei den Herren Sportkleidung beliebt - Traineranzüge, kurze Sportjacken, ärmellose Shirts, kurze Nylonhosen und dazu weisse Socken. Hemden und Poloshirts waren vorwiegend aus Polyester und teilweise aus Samt. Bereits in der 2. Hälfte kleidete man sich wieder auffälliger. Breite Schulterpolster kamen auf und die Hosen waren besonders im oberen Bereich weit und hatten Bundfalten. Jeanshosen wurden wieder höher geschnitten, waren allerdings nicht so weit wie die restlichen Hosen. Unter dem Anzug trug man bunte Hemden oder T-Shirts. Für die Freizeit waren bedruckte Seidenhemden wie das Hawaiihemd beliebt, grelle Farben waren allgemein im Trend. Man zog sich bei Gelegenheit gerne wieder eleganter an, besonders beliebt waren Zweireihige Vestons. Diese hatten grosse Schulterpolster und waren in erdigen Farben oder dunkel, gerne auch mit feinen Nadelstreifen. Gilets wurden eher selten getragen. 1980er / 1990er Jahre 1/2018 Über Kostüm Kaiser Wir beschäftigen uns seit 1882 mit der Mode aus vergangen Zeiten. Dank dieser langen Firmengeschichte können wir neben der Erfahrung auch auf viele originale Kleidungsstücke und Accessoires zurückgreifen. Neben diesen Originalen machen Reproduktionen oder Kleider im Stil einer gewissen Zeit einen grossen Teil unserer über 40‘000 Kleider und Anzüge im Verleih-Fundus aus. Dazu mischen sich neben den passenden Accessoires wie Schuhe, Taschen oder Schmuck auch Fantasie- Kostüme, so dass wir ein umfassendes Bekleidungsangebot für alle Bedürfnisse anbieten können. Bei der Darstellung einer gewissen Zeit legen wir Wert auf die Details und nehmen uns dafür gerne Zeit und recherchieren bei Bedarf in unserer umfassenden Bibliothek. Kostümverleih, Verkauf & Herstellung seit 1882 061 751 52 51 | 4147 Aesch verleih@kostuemkaiser.ch www.kostuemkaiser.ch Montag - Freitag 07:15 - 11:45 | 12:45 - 17:00

Welcher Hut zu welchem Kleid und wann passt die Knickerbockerhose? Dieser Style Guide soll ein paar allgemeine Tipps geben, wie man sich im 20. Jahrhundert gekleidet hat.
Quelle: Kostüm Kaiser


April 2018 - Die "Deutsche Werke AG" und ihre D-Räder

Die D-Räder und ihre Historie Um eins vorweg zu nehmen: D-Rad war keine Fabrik, sondern eines von vielen Produkten der „Deutsche Werke AG“ und deren Nachfolgerfirmen in Berlin-Spandau. Es würde viel zu weit führen, hier die komplette Geschichte des Werks niederzuschreiben. Unter dem Namen „Star“ baute man bei der „Deutsche Werke AG“ in Berlin- Spandau die ersten Motorräder. Der tatsächliche Beginn der Produktion ist nicht genau bekannt, ebenso die Stückzahlen nicht. Die wenig ausgereiften Motorräder waren von H.F. Günther konstruiert. Die „Star“ hatte einen Zweizylinder- Boxermotor mit 398 cm³, welcher längs im Fahrwerk eingebaut war und 3 PS Leistung hatte. 1921 wurde Max Christiansen als neuer Ingenieur eingestellt. Er überarbeitete die Maschine, bevor sie mit dem neuen Namen „M23“ auf den Markt kam. Die Verkaufsstelle hiess damals „DERAD AG“ und hatte ihren Sitz an der Charlottenstrasse 6 in Berlin SW68. 1924 wurde das vorhandene Modell nochmals verbessert. Es wurde unter dem Namen D-Rad „M24“ bzw. „Modell 1924“ herausgegeben. Der Öltank wurde in den Benzintank integriert und der Werkzeugkasten auf dem Tank wurde an den Gepäckträger verlegt. Der Motor hatte immer noch grosse Überhitzungsprobleme. So litt das Motorrad weiterhin unter einem schlechten Ruf. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass insgesamt 7‘500 Stück gebaut wurden. Die neuen D-Räder sollten einen wesentlich besseren Motor und somit einen besseren Ruf bekommen. Im selben Jahr wurde die Einzylinder-Maschine „R0/4“ vorgestellt. Dieses Motorrad wurde dank seiner guten Konstruktion und dem billigen Preis ein Renner. Im Angebot waren zwei Ausführungen: Die „K“ und die „EZ“. Erstere Ausführung war mit Karbidbeleuchtung und Ballhupe, letztere wurde mit Zündlichtmaschine, Batterie, Scheinwerfer sowie einem abnehmbaren Rücklicht für Reparaturen herausgegeben. Es wurde fast alles selber gebaut, sogar die Ketten hatten bis zur „R20“ ein „D“ auf jedem Kettenglied. Die „R0/4“ leistete mit ihrem 496 cm³-Einzylindermotor 10 PS und erreichte eine Geschwindigkeit von zirka 90 km/h. Zwischen 1924 und 1927 verliessen 24‘500 D-Räder die Produktionshallen. Somit wurden zwischen 25 und 30 Stück pro Tag gebaut! Es wurde sehr viel automatisiert. Die Rahmen wurden z.B. automatisch tauchlackiert; die Montage erfolgte am Fliessband. Die „R0/4“ gewann an diversen Rennen und Zuverlässigkeitsfahrten der damaligen Zeit. So kam erstmals eine Sportversion, die „R1/4“ auf den Markt. Diese leistete mit einem Aluminiumkolben 12 PS und erreichte eine Geschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde. Neu waren: Der bereits erwähnte Aluminiumkolben, andere Gabel (leichter gebaut), verstellbare Fussrasten anstelle der Trittbretter, ein Zusatzöltank im Brennstoffbehälter sowie ein anderer Vergaser (B&B 120 von Fischer). Zudem hatte sie nicht mehr die Kulissenschaltung am Tank, sondern das für D-Rad typische Schalt- D-Rad R0/4 - Ausführung „K: Der Besitzer hatte noch Geld für schwert. eine Lenkeruhr sowie einen Spiegel (IS = Provinz Hannover) Derad M23: Filligrane und formschöne Technik aus den Anfangszeiten der Ära „D-Rad“. Autor und Fotos: Benno Stöcklin www.d-rad.ch 1927 wurde Oberingenieur Martin Stolle neuer Chefkonstrukteur in der Motorradabteilung. Stolle konstruierte das D-Rad „R0/5“ bzw. „Modell 1928“, welches noch im selben Jahr vorgestellt und ab 1928 verkauft wurde. Fast nur durch eine kürzere Blattfeder, tiefer heruntergezogene Schutzbleche, einen neuen Tank und durch andere Werkzeugkästen unterscheidet sich das Modell zum Vorgänger. Während der Produktion der 2‘500 Exemplaren änderte sich der Tank dreimal. Um dem Fahrer ein möglichst bequemes Sitzen zu gewährleisten, war der Lenker fortan in seiner Position verstellbar. 1928 kam das Modell „R0/6“ auf den Markt. Durch grössere Kühlrippen, Druckspritzölung, abnehmbarem Zylinderkopf und 12 PS wurde dieser Typ sehr viel verkauft. Anhand der Rahmen- und Motornummern wurden 10‘000 Stück produziert. Von allen führerscheinpflichtigen Motorrädern waren im Jahr 1928 im Raum Gross-Berlin jedes fünfte Rad ein D-Rad, obwohl es alleine in der Umgebung Berlin bis zu 100 Motorradfirmen gab! Technische Neuerungen gab es kaum. Erstmals fand nun auch hinten eine Trommelbremse ihren Platz, welche auch im Beiwagenbetrieb zuverlässig funktionierte. Zudem war das Hinterrad mit einer Steckachse mit dem Rahmen verbunden. Wie typisch für die damalige Zeit versuchte man sich auch bei der „Deutsche Industrie-Werke AG“ an einem Lastendreirad. Mit zwei Vorderrädern, einem Hinterrad und 330 kg Leergewicht konnte 500 kg zugeladen werden. Durch das grosse Kettenblatt am Hinterrad wurden Geschwindigkeiten von 50 km/h erreicht. Ein Gebläse sorgte für ausreichende Kühlung des Motors. Zwei Ausführungen mit Pritschen- oder mit Kastenaufbau mit jeweils einer Ladefläche von 1600 x 920 bzw. 2000 x 920 mm waren im Grundangebot. Das lackierte Chassis ohne Kotflügel konnte für 1‘650 RM erworben werden. D-Rad R 0/5: Grund für die neue Modellbezeichnugn waren die vielen kleinen Änderungen - das bewährte Grundkonzept blieb aber bestehen. D-Rad R0/6: So oder mit Karbidbeleuchtung wartete sie laut Prospekt auf Käufer D-Lieferwagen L-7: Einst war diese Ausführung mit dem langen Pritschenaufbau und Ballhupe für 1729.50 RM zu bekommen, was damals etwa einem durchschnittlichen Jahreseinkommen entsprach. Ähnlich populär wie die „R0/6“ war auch ihr Nachfolger, die „R9“. Etwa 9‘000 Exemplare liefen davon vom Band. Der Zylinder wurde schräg nach vorn gestellt, um die Vibrationen des Motors erneut zu minimieren. Sie wurde mit Stecktank verkauft, wenig später gab es weiter eine Satteltank- Version sowie eine „R9 Luxus“. Grund dafür waren grosse Absatzprobleme, weil die Technik nicht mehr zeitgemäss und die Wirtschaftslage alles andere als gut war. Die „R9“ kann als ausgereiftestes D-Rad bezeichnet werden. Das gute Grundkonzept von der „R0/4“ wurde stehts verbessert und fand in der „R9“ seine Vollkommnung. 1930 wurde die von Martin Stolle komplett neu konstruierte „R10“ vorgestellt. Es wurden zwischen 1930 und 1931 rund 3‘500 Stück verkauft. Das D-Rad leistet durch den OHV-Motor 20 PS, war aber auch dementsprechend teurer. Das Getriebe ist separat über eine Kette angetrieben. Auch bei diesem Modell eine Luxus-Version, bei der Motor, Getriebe etc. besonders gut verarbeitet waren. Im Prospekt der „R10“ steht, dass 3‘329 Kontrollen gemacht wurden, ehe das Rad vom Band rollte. Qualität ging vor Wirtschaftlichkeit. Mit Serienmaschinen erzielte das Werksrennteam u.a. einen grossen Erfolg im Jahr 1930 bei der 144-Stundenfahrt auf dem Nürburgring. Die „R11“ wurde 1931 erstmals hergestellt. Sie war sehr ähnlich der „R10“, jedoch wieder mit einem in der Herstellung billigeren Seitenventiler. Der Motor leistete deshalb nur noch 16 PS, war aber immer noch geeignet für Wanderfahrten und Beruf. Die Produktionszahlen gingen trotz der relativ modern wirkenden Maschine laufend zurück. Insgesamt wurden davon 2‘000 Exemplare verkauft. D-Rad R11: Ein Gespann mit werkseigenem Pantoffel-Beiwagen im Dienst der rumänischen Polizei D-Rad R10: Der schrägstehende Einzylinder- Motor in einer Prototypenausführung D-Rad R9: Umfangreiches Zubehör machten Reparaturen auf der Strasse möglich (IZ = Rheinprovinz) Auch von der mit Zweitaktmotor von Otto Bark ausgestatteten „R20“ wurden nur noch 2‘000 Stück verkauft. Der 200 cm³-Motor leistete 6 PS und war von der Steuer, dem Führerschein und der Haftpflichtversicherung befreit. Die Maschine erreichte trotz dem kleinen Motor Geschwindigkeiten um die 70 Kilometer pro Stunde. Im Prospekt steht, dass eine „R20“ 795.- RM und somit etwa einem halben Jahresdurchschnittsentgelt kostete. Dieses Kraftrad konnte auch mit Stoye-Beiwagen gekauft werden. Da in Österreich Motorräder bis 250 cm³ Steuer- und Führerscheinfrei waren, wurde eine „R21“ mit einem 250 cm³-Bark-Motor gebaut. Viele Teile wurden nicht mehr im Werk in Spandau hergestellt, sondern von diversen Firmen zugekauft. Im Juli 1932 fusionierte die „Deutsche Industrie-Werke AG“ mit NSU in Neckarsulm. Bis 1938 hatte der Firmenname „NSU D-Rad Vereinigte Fahrzeugwerke AG Neckarsulm“ Bestand. NSU übernahm die noch unverkauften D-Räder, Patente und das sehr gut ausgebaute Händlernetz im In- und Ausland. D-Rad R20: Das letzte D-Rad-Modell wurde trotz des billigen Anschaffungspreises ebenfalls kein Erfolg Auf D-Rad - Von Berlin nach Kairo Um die Qualität und Langlebigkeit der D-Räder zu demonstrieren, unternahmen der Rennfahrer Alfred Gäbelmann und Dr. Wilhelm Spohr in den Jahren 1927 / 1928 eine 12‘230 km lange Reise in den Orient. Sie durchfuhren auf einem D-Rad die Länder Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien, Griechenland, Türkei, Syrien, Palästina, Ägypten, Italien, Frankreich und zurück nach Deutschland. In einem im Jahr 2015 erschinenen Buch „Auf D-Rad - Von Berlin nach Kairo“ von Benno Stöcklin werden dem Leser auf 534 Seiten über 300 Fotos und 200 Zeitungsartikel sowie interessante Details zu den beiden Reisenden vorgestellt. Das Buch ist über www.d-rad.ch erhältlich. Draufsitzen, Anlasser betätigen und losfahren? Weit gefehlt! Bevor man überhaupt ans Fahren denken kann, muss erst einmal der Reifendruck kontrolliert werden. Der feste Sitz der Wulstreifen auf der Felge danken es dem Fahrer oder auch umgekehrt… Danach nimmt man eine Fettpresse zur Hand und schmiert alle nötigen Stellen nach. Nun kann es schon bald losgehen. Ich nehme das Motorrad vom Hauptständer. Benzinhahn auf, Tupfer des Schwimmers drücken. Der Zündverstellhebel drücke ich nach vorne – was eine vorteilhafte Spätzündung zur Folge hat. Langsam werden die Knie weicher, während sich der rechte Fuss in Richtung Kickstarter bewegt. Mit der linken Hand betätige ich den Dekompressionshebel und drücke den Kickstarter mit der Fussspitze nach unten, Dekompressionshebel loslassen und … BUM – BUM – BUM – BUM Ich sitze auf das Motorrad, betätige mit dem rechten Fuss die Kupplung und lege den Gang ein. Die linke Hand übernimmt nun die Kupplung und lässt diese langsam greifen. Los geht’s! Auf der Landstrasse geht es dann etwas ruhiger zu. Ich kann die Natur bei einer Reisegeschwindigkeit von 50 - 60 km/h geniessen und höre das regelmässige Hämmern des Motors unter mir. Alles klingt, wie es klingen soll – die Nervosität lässt wieder etwas nach. Es naht eine Kreuzung, also muss ich verlangsamen. Wiederum bediene ich frühzeitig mit dem rechten Fuss die Kupplung, während der andere Fuss die Bremse am Hinterrad betätigt und die rechte Hand für die Vorderradbremse und den Schalthebel zuständig ist. D-Rad-Fahren bedeutet also vollen Körpereinsatz und hat sehr wenig mit Motorradfahren gemeinsam...

Um eins vorweg zu nehmen: D-Rad war keine Fabrik, sondern eines von vielen Produkten der "Deutsche Werke AG" und deren Nachfolgerfirmen in Berlin-Spandau.
Quelle: VFV-Info (1/2018) / Benno Stöcklin


März 2018 - Dritter Gang springt bei Belastung raus - was tun?

Dritter Gang springt bei Belastung raus, was tun? Bericht von: Rainer Scheinpflug Bearbeitet durch: Benno Stöcklin Wenn der dritte Gang nicht hält was er verspricht, sind meist die scharfen Kanten der Klauen am Schaltrad und am grossen Getrieberad abgenutzt. Bei meiner R0/6 war das soweit und ich habe mir die Demontage so einfach wie möglich gemacht und in Bildern zusammengestellt. Begonnen hat´s mit dem Kupplungsgestänge entfernen. Den Kupplungshebel auf der Schnecke aufgeschraubt lassen und herausdrehen. Kettenschutz und Kupplungsbrücke entfernen; Kettenschloss öffnen und Kette ausfädeln. Sechskantmutter vom Antriebsritzel lösen und Ritzel abnehmen. Die drei Muttern der Kugellagerbuchse abschrauben, SW42-Mutter wieder leicht aufdrehen und mit einer Rohrzange oder ähnlich gebogenem Montiereisen leicht heraushebeln (einfacher wie Ausdrückschrauben). Die Kugellagerbuchse haftet meist nur an der Dichtung. Den hinteren Kettenschutz ebenfalls lösen und nach hinten etwas wegschieben. Das ergibt mehr Handfreiheit zum Schaltsegment. Das Schaltgestänge habe ich nur von dem oberen mit Splint gesicherten Bolzen getrennt und von Hand weiter geschaltet als gäbe es einen 4. Gang. Die Schaltgabel gibt das abgenutzte Schaltrad frei und es lässt sich von der Hauptwelle abziehen. Erkennbar sind nun am Schalt- und am grossen Getrieberad die abgenützten Kanten an den jeweils vier Mitnehmerklauen, die ursächlich Schuld daran haben, dass der dritte Gang nicht hält. Die Reparatur erfolgt mit hartem Schweissdraht im WIG-Verfahren und anschliessendem nachfräsen der Kanten mit einem Hartmetallfräser. Spannend ist die Einfädelung vom Schaltrad in die Schaltgabel, die sich leicht hin- und herbewegt. Die Lösung war eine «Radlspeiche». Schön stabil, dünn und damit guten Überblick im Getriebekasten. So kann die Gabel aufgestellt werden und in die Nutenrille vom Schaltrad gleiten. Mit Unterstützung der Rohrzange die Stellung vom dritten Gang in die Rasterung drücken. Dabei das Schaltrad weiter hineinschieben und der schwierigste Teil der Reparatur ist gemacht. Der Zusammenbau erfolgt in sinngemäss umgekehrter Reihenfolge der Demontage. Noch den Kettenschutz, Kupplungsschnecke eingesetzt, Gestänge montiert und fertig! Die Schweissarbeiten sollte man einer Fachwerkstatt, einem Motorinstandsetzungsbetrieb oder bei einer Werkzeugbau-Firma mit Reparaturabteilung übergeben. Die erste Testfahrt bei unserem Winter, der keiner ist: Ende Januar. Gleich mal eine 15%-Steigung im 3. Gang angesteuert und ohne Probleme, so wie es auch sein soll, oben angekommen.

Wenn der dritte Gang nicht hält was er verspricht, sind meist die scharfen Kanten der Klauen am Schaltrad und am grossen Getrieberad abgenutzt...


Februar 2018 - D-Rad R0/4: Rahmen richten

D-Rad R0/4: Rahmen richten Die Ausgangslage Der Rahmen einer R0/4 ist hinten beschädigt. Das linke Rohr des Unterzuges ist nach oben gebogen. Wie dies geschehen ist, bleibt ein Rätsel. Man sieht weder Kratzspuren noch eine Delle von einem Aufschlag. Um den Rahmen richten zu können, musste eine Lehre gebaut werden, welche die ganze Konstruktion fixiert und als Referenz der Sollmasse dient. Gleichzeitig enthält die Lehre ein Biegewerkzeug mit langem Hebel. Die Lehre Um die Lehre zu konstruieren, habe ich den Rahmen beidseitig vermessen und mehrere Skizzen mit den relevanten Massen erstellt. Als das Grundkonzept stand, zeichnete ich im CAD die benötigten Teile und prüfte die Masse nochmals am Rahmen nach. Ich entschied mich, die Teile laserschneiden zu lassen, da die Computerdaten gleich an die Firma mit der Schneidemaschine übertragen werden können. Fräsen oder sägen und feilen hätte einen viel höheren Aufwand bedeutet. Mit meiner Konstruktion konnte ich die Teile nach dem Laserschneiden ganz einfach zusammenfügen und musste mich nicht mehr um Konturen und Abstände kümmern. Die fertige Konstruktion im 2D-CAD Nach Erhalt der Teile habe ich diese grob verputzt, die Bohrungen aufgebohrt und die Lehre mit Hilfe von Schraubzwingen ein erstes Mal zusammengebaut. Nach kleineren Anpassungen sass der Rahmen perfekt. Die Vorrichtung wurde ein erstes Mal zusammengesteckt – passt! Somit konnte ich die einzelnen Teile der Lehre winklig ausrichten und mit einigen Schweisspunkten heften. Als nächster Arbeitsschritt stand das komplette Verschweissen an. Dies wurde mit einer MAG-Anlage durchgeführt. Damit beim Richten genügend Halt vorhanden ist, wurde die Lehre so konstruiert, um sie auf einen Gusstisch mit T-Nuten schrauben zu können. Im Anschluss fand der Rahmen seinen Platz auf der Vorrichtung.   Die Hitzeschutzbleche Damit beim Richten die Hitze nicht zu stark auf die Gussteile einwirkt, habe ich einige Hitzeschutzbleche zugeschnitten. Bei der Bremsstützen-Muffe sollte erst noch mit Pressluft gekühlt werden, jedoch war dies in der Praxis nicht vonnöten.   Das Richten Nach Anschluss von Y-Stücken, Schläuchen und Brennern an die Autogenschweissanlage galt es ernst. Als Brenner dienten zwei Wärmeeinsätze, die im Vergleich zu einem Schweisseinsatz eine weichere und brei-tere Flamme haben. Damit bringt man richtig Hitze an den Rahmen! Mit zwei Brennern kann gleichzeitig an mehreren Stellen erwärmt werden. Es sollte nicht mehr Material geschädigt werden als nötig und der Vor-gang soll auch so schnell wie möglich abgeschlossen sein, damit der Stahl nicht ausgeglüht wird. Nach dem Aufspannen des Rahmens sah man sehr gut, wie er verzogen war. Die linke Radaufnahme musste um etwa 8 mm nach unten. Die beiden Wärmeeinsätze wurden auf die geknickten Stellen gerichtet; jeweils an der Knick-Aussenseite – sprich da, wo das Rohr «gestaucht» werden musste. Bereits nach dem ersten Durchgang konnte das Rahmenheck mittels Schraube an der Beiwagenaufnahme fixiert werden. Danach erfolgte ein zweiter Richtvorgang, bei dem das Rohr noch weiter zurückgebogen wurde.   Als letztes musste die Muffe für die Bremse noch leicht gedreht werden, damit diese wieder winklig zur Radachse / Bremsfelge fluchtet. Da der Hauptständer einst den Gegebenheiten angepasst wurde, musste dieser ebenfalls noch leicht gerichtet werden. Dazu wurde dieser montiert, im mittleren Bereich erwärmt und zu seiner ursprünglichen Form zurückgebogen. Die Bremsstützen-Muffe wird leicht gedreht, damit sie winklig zur Radachse sitzt Gleich ist der Rahmen fertig. Hauptständer und Rad passen wieder perfekt.

Der Rahmen einer R0/4 ist hinten beschädigt. Das linke Rohr des Unterzuges ist nach oben gebogen und soll wieder gerade gerichtet werden.


Januar 2018 - Neue BARK-Motoren

Neue BARK-Motoren

NACHDEM der Kühne-Motorenbau in andere Hände übergegangen war, wurde von der Nachfolgerin, der Firma Otto Bark, Abtl. Motorenbau, Dresden, das gesamte Produktionsprogramm erweitert, und die einzelnen Typen konstruktiv neu entwickelt. An den neuen Bark-Motoren ist deshalb ausser einigen Einzelteilen vom alten Kühne-Motor nichts mehr übrig geblieben. Die Hand eines geschickten Konstrukteurs (Dipl.-Ing. Rudolf Bark) hat sämtliche Typen mit den neuesten Errungenschaften im Kleinmotorenbau ausgestattet, so dass, verbunden mit äusserster Präzision in der Herstellung und vorsichtigster Auswahl der Baustoffe, die Erzeugnisse als Qualitätsarbeit ersten Ranges gelten dürfen. Dadurch, dass sogar sämtliche gegossenen Teile in eigenen Abteilungen der Fabrik hergestellt werden können, die Unkosten aber im mittleren Betrieb geringer gehalten werden können als bei einem heute meist ganz wenig beschäftigten Grossbetrieb, können fast konkurrenzlos niedrige Preise der Fertigwaren erzielt werden. Das Fabrikationsprogramm umfasst Zwei- und Viertaktmotoren. Die Zweitakt-Bark-Motoren arbeiten nach dem heute am weitest verbreiteten Dreikanalsystem. Es werden vier Typen mit 175, 200, 250 und 300 ccm hergestellt. Alle vier Typen haben das gleiche Kurbelaggregat (nur die Gegengewichte sind verschieden) und Gehäuse und damit auch den gleichen Hub von 68 mm. Um die verschiedenen Hubvolumen zu erreichen unterscheidet sich nur die Zylinderbohrung, die für die vier Typen 57, 60, 68 und 74 mm beträgt. Dieses Verfahren zur Erzielung von verschiedenen Hubvolumen ist zwar thermisch keinesfalls ideal, hat aber rein fabrikatorisch bei Anfertigung von niedriger Stückzahl solche Vorteile, dass die Nachteile dagegen zurückstehen. Das Kurbelgehäuse ist aus Siluminguss hergestellt, in ihm ist auf gross dimensionierten Kugellagern die Kurbelwelle aus Chromnickelstahl gelagert. Natürlich sind die Kurbelwelle und ihre Lager ebenso wie das auf dem Kurbelzapfen mittels Rollen gelagerte Pleuel so dimensioniert, dass sie den Beanspruchungen bei 300 ccm Hubvolumen vollauf gewachsen und die nötigen Sicherheiten vorhanden sind. Der Zylinder besteht aus selbst hergestelltem Spezial-Zylinderelektrograuguss und hat überreichlich dimensionierte Kühlrippen. Der Kompressionsraum ist halbkugelförmig mit zwei Oeffnungen für die Kerze und das Dekompressionsventil ausgebildet. Als Material für den abnehmbaren Zylinderkopf wird eine Spezial-Aluminiumlegierung, die ausgezeichnete Wärmeleit- und Festigkeitseigenschaften besitzt, verwendet. Der Kopf ist mit dem Zylinder durch eine Kupferdichtung — der besseren Wärmeleitfähigkeit wegen — abgedichtet. Als Kolben wird ein Titanal-Leichtmetallkolben eingebaut. Er besitzt drei gegen Verdrehen gesicherte Ringe. Der Kolbenbolzen ist schwimmend im Kolben und Pleuel gelagert, und wird durch seitlich angebrachte Sprengringe gesichert. Die Schmierung ist als Gemischschmierung ausgebildet. Am günstigsten wird ein Mischungsverhältnis von 1:20 verwendet. Zur Erzeugung des Zündstromes dient je nach Bedarf ein Schwungradmagnet oder eine Luma-Schwungraddynamozündanlage, wenn Batteriezündung gewünscht wird. Die beiden kleineren Typen werden mit einem Verdichtungsverhältnis von 1:5,2, und die 250-ccm- und 300-ccm-Maschine mit 1:5 ausgeführt. Der 200-ccm-Bark-Motor leistet bei einer Maximaldrehzahl von 4000 Umdrehungen in der Minute 6 PS, bei 3000 Umdrehungen pro Minute 4,5 PS und als Dauerleistung bei stationärem Betrieb wurden 3,3 PS ermittelt. Dieselben Zahlen stellen sich für den 300-ccm-Typ auf: 10 PS bei 4600 Umdrehungen pro Minute, 7 PS bei 3000 Umdrehungen pro Minute, 5,3 PS für Dauerbetrieb. Wie bekannt sein dürfte, werden die Zweitakt-Bark-Motoren ausser von mehreren kleineren Firmen auch von den Deutschen Industrie-Werken in Spandau in ihre Leichtmotorräder eingebaut und dürften dadurch einem grossen in. und ausländischen Käuferkreis erschlossen werden. Das Viertaktbauprogramm der Firma Bark umfasst fünf Typen, und zwar zwei untengesteuerte Motoren von 500 ccm und 600 ccm, und drei kopfgesteuerte Motoren von 350 ccm, 500 ccm und 600 ccm. Die 350-ccm- und 500-ccm-Typen haben auch hier gleichen Hub von 90 mm, das ergibt für den 350-ccm-Motor eine Bohrung von 70 mm, und für den 500-ccm eine solche von 84 mm. Für die 600-ccm-Typen wurde dieselbe Bohrung von 84 mm beibehalten und der Hub auf 105 mm vergrössert. Da alle Motoren vollkommen gleich sind, ist es nur nötig, einen Typ zu beschreiben. Es sei als Beispiel ein von mir speziell untersuchter kopfgesteuerter 500-ccm-Motor herausgegriffen. Das Kurbelgehäuse besteht aus zwei Hälften, die in einer ausserordentlich zähen Siluminlegierung in Kokille gegossen sind. Das in ihm laufende Kurbelaggregat aus zwei Perlitgussscheiben, die durch den Kurbelzapfen verbunden sind, ist mit den an die Schwungscheiben beiderseitig auf Konus befestigten Wellen- stümpfen auf Rollen gelagert. Die Lagerstellen im Gehäuse sind durch Radialrippen einwandfrei befestigt. Das Kurbellager auf der Antriebsseite ist besonders gross gewählt worden. Auf der anderen Seite trägt das Wellenende das Ritzel für den Nocken- und Magnetantrieb. Die Schwungmassen sind bei den einzelnen Typen verschieden gross und der Arbeitsweise der Typen gut angepasst, jedoch in jedem Fall reichlich dimensioniert. Die Steuerung des vorliegenden Motors geschieht durch einen Nocken, der durch das schon erwähnte Ritzel auf dem rechten Kurbelwellenstumpf angetrieben wird. Seine Bewegung wird vermittels zweier versetzt angreifenden Schlepphebel über Stössel, Stossstangen, die mit Rückholfedern versehen sind, und nadel- gelagerte Kipphebel auf die im Zylinderkopf hängend angeordneten Ventile übertragen. Durch die besondere Sorgfalt, die auf die konstruktive Ausführung der Steuerung gelegt wurde, und die einwandfreie staub, und öldichte Kapselung aller bewegten Steuerungsteile, verbunden mit reichlicher Schmierung, läuft der Ventilmechanismus bei vorliegendem Motor beachtlich ruhig. Das Nachstellen der Ventilluft geschieht wie üblich durch gesicherte Schrauben in den Kipphebeln. Die Pleuelstange hat auf der Kurbelzapfenseite ein Rollenlager und auf der Kolbenseite eine Rotgussbüchse und ist zwecks Reduzierung der oszillierenden Massen besonders leicht gemacht worden. Auch bei diesem Motor wird ein Titanal- Leichtmetallkolben mit drei Ringen und polierter Oberfläche verwendet. Der Kolbenbolzen ist hohl und schwimmend gelagert. Gegen Herauslaufen an die Zylinderwand ist er durch Messingpilze gesichert. Der Zylinder ist auch hier mit sehr reichlichen Rippen versehen und wird in eigener Giesserei hergestellt. Aus demselben Material ist auch der abnehmbare Zylinderkopf mit halbkugelförmigem Verbrennungsraum, einem Ansaug und zwei Auspuff stutzen hergestellt, der auch bei diesem Typ nur mit einer Kupferdichtung gegen den Zylinder abgedichtet ist. Sehr zweckmässig ist die Befestigung vom Zylinder auf dem Gehäuse und dem Zylinderkopf auf dem Zylinder durch vier durchgehende Stehbolzen. Bei den seitengesteuerten Typen befinden sich die Ventile seitlich im Zylinder. Als Kopf material wird bei diesen eine Leichtmetallegierung verwendet. Der Magnet bzw. die Zündlichtmaschine wird durch ein Zwischenrad von dem Nockenzahnrad angetrieben, und befindet sich hinter dem Zylinder. Die Aufnahme des Magneten bzw. der Zündlichtmaschine erfolgt in einer halbrunden Ausdrehung. Durch diese Aufnahme wird die Lage des Magneten genau fixiert, was besonders bei vorliegendem Zahnradantrieb wichtig ist. Ohne Mühe und besonderes Ausrichten ist ein genauer Zahneingriff des Antriebsrades gewährleistet. Gegen Verdrehen ist der Magnet durch einen Stift gesichert. Durch Versetzen dieses Stiftes ist es möglich, den Magnet, der durch Spannbänder festgehalten wird, senkrecht oder bis zu 20 Grad schrägliegend einzubauen. Der Ein. und Ausbau bzw. die Einstellung der Zündung kann erfolgen, ohne dass der Steuergehäusedeckel demontiert werden muss, da durch Abnehmen eines kleinen Verschlussdeckels das mit Abziehvorrichtung versehene Antriebszahnrad zugänglich wird. Die Entlüftung erfolgt durch von der Nockenwelle gesteuerte Schlitze. Nach Passieren dieser Schlitze gelangt der Entlüfterdampf in eine vom Steuergehäuse abgetrennte Kammer, in der sich das Oel abscheidet und in das Steuergehäuse zurückfliessen kann, während der Ausgleich des Ueberdruckes durch ein nach aussen gehendes Rohr erfolgt. Auf der Kettenseite des Motors sitzt ein zweiter Entlüfter, der hier entweichende Oeldampf schmiert die Kette. Der vorliegende Motor sowie alle Viertakttypen sind mit Trockensumpfumlaufschmierung versehen. Der Oelumlauf erfolgt durch eine im Steuergehäusedeckel eingebaute, von der Nockenwelle angetriebene, rotierende, doppelt wirkende Kolbenpumpe. Das Oel wird aus dem Oeltank von der oberen Pump- stelle angesaugt und nach Durchfliessen des Schneckenantriebes der Pumpe — die hierbei ebenso wie die rechte Nockenwellen- lagerstelle geschmiert wird — durch eine Bohrung in der Kurbelwelle nach dem Pleuellager gedrückt. Von hier gelangt das Oel durch Schleuderwirkung an die Zylinderwände und nach den Kolben und fliesst, die Kurbelwellenlager reichlich schmierend, in den Kurbelgehäuseölsumpf zurück. Die zweite, untere Pumpstelle saugt das Oel durch einen im Sumpf angebrachten Filter an und fördert es in den Tank zurück. Bei den kopfgesteuerten Motoren wird durch eine dritte Pumpstelle in einer Oelleitung Frischöl in das Schwinghebellagergehäuse gefördert, durchspült in reichlichem Masse die Schwinghebellagerstellen und fliesst in den Stossstangenschutzrohren, wobei die Stossstangenpfannen geschmiert werden, durch Bohrungen in den Stösselführungen in das Motorgehäuse zurück. Von dem Schwinghebellagergehäuse gelangen Oeldampf und -spritzer durch Leitungen zu den Ventilschäften. Es ist ersichtlich, dass vorliegende Trockensumpfschmierung mit grosser Sorgfalt durchgebildet wurde. Der Fahrer hat sich um keine Oel- einstellung und besonders zu beachtende Schmierstellen am Motor mehr zu kümmern. Er hat lediglich dafür zu sorgen, dass genügend Oel vorhanden ist. Um das Antreten der Motoren zu erleichtern, ist im Steuergehäuse- deckel eine mittels Bowdenzugs bedienbare Anhebevorrichtung für das Auspuffventil angebracht. Auch hier soll nur beispielsweise die Leistung angegeben werden, die der Verfasser bei Untersuchung des Motors, Typ 50 K, festgestellt hat. Der untersuchte Motor stammte aus der Serie. Er war 1:5,5 verdichtet, hatte einen Amac-Vergaser und wurde mit Aral betrieben. Es ergaben sich am uneingelaufenen Motor folgende Leistungen: n (Umdrehungen pro Minute) 1000, 2000, 3000, 4000, 5000; Ne (PS) 4,15, 9,9 15,9, 18,9, 16,7. (B 8421) Dipl. Ing. Hans Busch

Nachdem der Kühne-Motorenbau in andere Hände übergegangen war, wurde von der Nachfolgerin, der Firma Otto Bark, Abtl. Motorenbau, Dresden, das gesamte Produktionsprogramm erweitert und die einzelnen Typen konstruktiv neu entwickelt.