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Dezember 2016 - D-Rad-Rikscha, selbst gebaut

D-Rad-Rikscha, selbst gebaut

Der Wunsch nach einem eigenen Motorfahrzeug wurde noch grösser, seit ich dienstlich mit dem Auto nähere Bekanntschaft gemacht hatte und vom Benzinteufel gebissen wurde. Also — ein Auto! Aber mein Finanzminister sagte energisch nein. Ein Auto? Warum nicht gleich ein Flugzeug oder eine Luxusjacht! Eine Beiwagenmaschine ginge noch eventuell, möglicherweise ...; aber da sagte ich nein — aus sozialen Gründen; jawohl, lachen Sie nicht — ich bin für Gerechtigkeit. Warum soll ich Staub und Regen schlucken, mich mit dem Schlitten herumplagen und die Nichtstuer sitzen fein trocken und bequem auf Polstermöbel — bitte keine Vergleiche! Bei mir kommt das nicht in Frage. Ausserdem habe ich eine Vorliebe für Symmetrie (ich durfte schon in der Schule immer die Bilder aufhängen) und auch die Protektionswirtschaft bei den Kurven passte mir nicht.

Eines Tages hält mir mein Freund und Arbeitskollege das Heft Nr. 13/1949 der Zeitschrift „Motorrad“ vor die Nase und spricht: „Nun, du alter Motorradverächter, hier hast du dein gesuchtes 'Zwischen Motorrad und Auto'!“ Das Ding gefiel mir und es gab eine lange Debatte für und wider und dann eine Besichtigung in natura. Aber... und mit diesem „Aber“ nahm die „13“ ihren Lauf, das heisst, langsam aber sicher reifte der Entschluss, so einen Apparat selbst zu bauen. Zuerst auf dem Papier und mit Karton — ich baute noch und noch. Der Materialaufwand war enorm — Sie erinnern sich an das sprunghafte Steigen der Papierpreise! Als ich die 321. Konstruktion vollendet hatte, war meine Phantasie erschöpft, aber eines hatte ich dabei erkannt: Wenn man das Zwischending von Motorrad und Auto von der Autoseite her entwickelt, wird es kompliziert und ausserdem leicht ein Scherzartikel (besonders leicht im Selbstbau); deshalb sollte es möglichst Motorrad bleiben, mit Beiwagen, aber ohne Klassenunterschiede und mit Gleichberechtigung beider Kurvenseiten.

Ich kaufte mir einen nicht mehr ganz jungen aber verlässlichen seitenverklapperten Dampfer mit 500 ccm, der bei voller Kraft voraus seine ehrlichen 12 Pferdchen entwickelt, und an den nagelte ich den Beiwagen, der meinen Ansprüchen genügt.

 

Hier ist die komplette Instrumentierung zu erkennen und der stabile Fahrerwindschutz. Der Pfeil rechts oben zeigt auf die gelenkige Verbindung von Windschutz und Dach.

D-Rad, R 9/1930 (nur der Tank stammt von NSU).

82X94=496 ccm, 4 T — sv. Zahnrad, 6,96 — 10,76 — 18,36, Handschaltung, Kette, Differential, je eine Kette auf die beiden Hinterräder. Motorradrahmen unverändert, Rikscharahmen aus Stahlrohr (gelötet und geschweisst) kann jederzeit abgenommen werden. Radstand 142, Länge 280, Breite 160, Spur 139, Sitzbreite 105, Gesamthöhe 175 cm. 325 kg, 65 km/h, 6,5 l/100 km.

 

Mit anderen Worten, das Fahrzeug musste:

1.   Aus bekannten und oft zitierten Gründen leichter sein als 350 kg (Steuer, Versicherung, Rücklauf...). Erreicht: 325 kg, zugelassen für 240 kg Lebendgewicht (3 Personen). 2.   Ausser dem Fahrer noch 2 Personen mit Gepäck bequem Platz bieten, für alle ausreichenden Schutz gegen den Strassenschmutz gewähren und ausserdem auch einen Wetterschutz haben. Wie weit das gelang, können Sie am besten nach den Abbildungen beurteilen. Für das Gepäck steht der hinter die Sitze verlängerte Teil der Karosserie zur Verfügung. 3.   Kurvensicher sein, zur Wahrung bester Strassenlage alle 3 Räder voneinander unabhängig gefedert haben und Allradbremsung besitzen. Erreicht durch symmetrischen Aufbau, Ausgleichsgetriebe und in Schwingrahmen gelagerte Hinterräder in Gummiaufhängung. Fussbremse mit Ausgleich auf beide Hinterräder-, Handbremse auf das Vorderrad wirkend. 4.   Auch für das Auge eine gefällige Form besitzen, die Karosserie durfte keinen übergrossen Windwiderstand ergeben und musste trotzdem dem Motor die erforderliche Kühlung sichern. 5.   Da ich zu den Geniessern (siehe Heft 25/1949, Gruppe 7a) gehöre, einen sicheren Durchschnitt von 30—35 km erlauben und nicht vor jeder Steigung erzittern oder einer besonderen Zurede bedürfen. Erreichte Spitzengeschwindigkeit 65 km/h, Durchschnitt 3 Stunden für 100 km, Steigfähigkeit 20% bei der zugelassenen Belastung. 6.   Schliesslich und endlich billig in den Betriebskosten, als Ganzes preislich erschwinglich und im Selbstbau ohne besondere Werkstatteinrichtung solide und einfach herzustellen sein. Normale Kraftradspesen, Durst 6 1/2 l für 3 Stunden genussvoller Fahrt zu dritt, Umbaukosten = hoffe ich,   Honorar für diesen Artikel gedeckt.

Und so entstand aus dem Wunsche nach einem Motorfahrzeug, vieler Stunden angeregter Fachsimpelei und nicht zuletzt ausgelöst durch die „13“, gewürzt mit dem Schweisse ungezählter Stunden eigener Arbeit, mein „Kondicki“ getauftes Dreirad, das noch den Vorteil hat, dass es auf Wunsch innerhalb weniger Stunden wieder in eine Solomaschine rückverwandelt werden kann. Eventuellen Nachbauern „gut Schweiss“ wünschend.

Und so sieht das Fahrzeug von hinten aus. Das Dach bietet vollkommenen Wetterschutz.

So eine Rikscha mag vielleicht nicht jedermanns Sache sein — fahren kann man darin, und geborgen sitzen auch. Und das ist für viele die Hauptsache. Ich habe das Ding selbst probiert und war auf das Angenehmste überrascht. Durch das Differential folgt das Fahrzeug jedem Lenkereinschlag, alle Kurven sind leicht und ohne Gas- und Bremshilfe in vollkommen symmetrischer Fahrweise zu nehmen. Es ist keinerlei Seitenzug vorhanden, so dass man auf langen Strecken wesentlich weniger ermüdet, als mit einer Beiwagenmaschine. Der Hauptvorteil dieser Konstruktion liegt jedoch darin, dass die Solomaschine überhaupt nicht verändert wird, sie bekommt nur den Ansteckwagen dazu.

Der Wunsch nach einem eigenen Motorfahrzeug wurde noch grösser, seit ich dienstlich mit dem Auto nähere Bekanntschaft gemacht hatte und vom Benzinteufel gebissen wurde...


November 2016 - Empfindsame Reise durch Portugal.

Organ für die Interessen des gesamten Kleinfahrzeugwesens. Empfindsame Reise durch Portugal. Eine Motorradfahrt von R. Richter - Dessau. Wagen Sie „empfindsam“! Wenn eine „mühsame“ Reise heißt, bei der viel Mühe ist, so kann ja auch eine „empfindsame“ Reise heißen, bei der viel Empfindung war. Lessing an Bode 1786. Obwohl diese freundliche Aufforderung nicht an mich gerichtet ist, wage ich es auch. Man darf wenigstens vermuten, daß Bode dem Rate eines Lessing folgte. So reich an Empfindungen war noch keine meiner großen Auslandsfahrten wie diese durch Portugal. Überreich an freudigsten und — sehr schmerzlichen Empfindungen! An freudigen angesichts dieses von der Natur so verschwenderisch gesegneten Landes, eines wahren Paradieses, und an sehr schmerzlichen — in des Wortes eigentlichster Bedeutung — verursacht durch die unmenschlich schlechten Straßen, die in Europa nicht ihresgleichen haben. Besonders schlimm ist es damit im Süden Portugals bestellt. Seit Jahren bereits hat der Auto-Durchgangsverkehr von Spanien nach Lissabon auf der schon von den Römern befahrenen Straße fast ganz aufgehört. Wie ein Gespenst wurde ich in den kleinen Nestern angestarrt, wenn ich über die besonders schlechten Dorfstraßen jonglierte, und manch Weiblein schlug vor der ungewohnten Erscheinung ein erschrockenes Kreuz. Wie freundlich ist der erste Eindruck, wenn man nach kurzer Fahrt von der alten spanischen Grenzfestung Badajoz her zur Zollstation gelangt. Ich traute meinen Augen nicht! Ueber die ganze Breite der Straße wölbt sich ein Wellblechdach. Und nicht bloß hier, sondern auch an den sieben anderen großen Durchgangsstellen nach dem Ausland. Das einzige Land Europas, welches soviel Rücksicht nimmt. Wir wollen annehmen, daß mit dieser Einrichtung nicht bloß die Beamten bei der ziemlich genauen Durchsuchung des Gepäcks geschützt werden sollen, sondern auch das Publikum. Es soll nämlich Länder geben, wo dieses nicht ausschließlich Objekt für die unentbehrliche Tätigkeit der Beamten ist. Ja, es muß wohl so sein, nach der auch sonst in allen Ständen geübten großen Rücksicht und Höflichkeit zu schließen, die ein Hauptcharakterzug im Wesen des Portugiesen sind. Diese Rücksicht geht freilich nicht so weit, auch die Straßen DER KLEINE MOTOR   in einem fahrbaren Zustand zu erhalten. Daran hindert eine zweite ebenso ausgesprochene Eigenschaft: die an Schwäche grenzende Energielosigkeit. Ebbe in den Staatskassen mag auch mitsprechen. Und dann: Ist die Straße zu schlecht, so fährt man eben mit der Eisenbahn! Die sauber, billig und pünktlich ist. Nur immer gemütlich! Pacienca — ist das große Schlagwort bei allen südlichen Völkern, besonders aber in Portugal. Weiße Handschuhe zog der Beamte bei der Visitation nicht mehr an wie anno 1914, als ich zum erstenmal das Land durchfuhr. Dafür nahm er seine Sache ernster als damals. Als er aber in seinen Papieren die Rubrik: „Hersteller des Fahrzeugs“ ausfüllen sollte, da erschien ihm, übrigens mit Recht, die Firma: „Deutsche Kraftfahrzeugwerke“ zu lang und so schrieb er denn kurz entschlossen „Werke“ und — das stimmte ja auch. Froher Hoffnung voll betrat ich den portugiesischen Boden. Die Straße war ausgezeichnet, weit besser als in meiner Erinnerung. Vorspiegelung falscher Tatsachen! Bis Elvas ging’s so gut, daß ich noch am Abend Lissabon zu erreichen hoffte. Aber dann! Mit einem Male verschlechterte sich die Fahrbahn so plötzlich und so gründlich, daß ich für die 9 km nach dem nächsten Dorfe — Vila Boim nennt sich stolz dieses Nest — mehr als eine Stunde brauchte und dort schließlich mit gebrochener Gabel und der Ueber- zeugung ankam, daß ein Weiterfahren mit dem schwer bepackten Beiwagen vollkommen unmöglich sei. Ein deutsches Ehepaar, welches ich am Abend, nach Elvas per pedes mit geschulteter Gabel zurückgekehrt, antraf, bestärkte mich in meiner Meinung. Es hatte mit einem Lancia-Wagen versucht, sich den Weg nach Lissabon zu bahnen, dieses Unterfangen aber schließlich aufgegeben, den Wagen eingestellt und war eben im Begriff, mit der Bahn abzudampfen. Das wollte ich unter keinen Umständen tun. Mein D-Rad, das mich durch halb Europa bis an die   Pforte Portugals getragen    hatte, ohne je auszusetzen, würde mich auch nach Lissabon bringen, davon war ich fest überzeugt. Der Gabelbruch hatte nichts zu sagen. Auf diesen Straßen sind solche Scherze unvermeidlich, aber meinen Beiwagen und damit den größten Teil meines Gepäcks mußte ich zurücklassen. So trat ich denn, nachdem mir in freundlichster Weise ein Chauffeur beim Montieren der Gabel geholfen hatte, von besten Wünschen und starkem Kopfschütteln des ganzen Ortes begleitet, die Weiterfahrt an. Chauffeur! Also doch, wird mancher Leser denken. O nein! Nur hier an der Grenze und hauptsächlich für Fahrten in das benachbarte Spanien gibt es einige Autos, sonst aber sieht man höchstens mal einen uralten Ford-Wagen, der seinen Besitzer eine kurze Strecke vom Heim nach dem Felde zu schaffen hat oder einen vorsintflutlichen Autobus, der den Verkehr zwischen Station und Ortschaft besorgt und den unglücklichen Fahrgästen für die Folterqual auch noch Geld abnimmt. Nach manchen Stürzen unter Anwendung von allerlei Kunststücken ward endlich Lissabon erreicht. Auf guter Straße erreicht, denn das letzte, etwa 40 km lange Stück war erst kürzlich repariert worden und war daher noch fahrbar. Die Strecke berührte Estremoz, Setubal und das weit in die Lande schauende Palmelia. Lissabon! Ich will das Lob der einzig schönen Lage dieser Stadt nicht wiederholen. Es ist berechtigt! Ohne künstlerische „Höhe“punkte in Türmen und Kuppeln, ohne einen Hintergrund, wie Neapel ihn im Vesuv besitzt, bietet die breite am Nordufer des Tejo auf Hügeln und in Tälern hingelagerte Stadt — namentlich von Süden aus gesehen — einen bezaubernden Anblick. Einer der größten Portugiesen, der Marquis von Pombal, hat sich mit der nach dem Erdbeben von 1755 wiederaufgebauten City von Lissabon ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Künstlerisch ist es zwar nicht besonders wertvoll, aber als ein früher Versuch, das Städtebauproblem wenigstens von der praktischen Seite her zu lösen, spricht es für den genialen Weitblick dieses Mannes, der auch hier großzügig an’s Werk ging. Es gibt auch einen Automobilklub von Portugal Er haust in feudalen Räumen, sein Generalsekretär ist ein äußerst! liebenswürdiger Herr; meine Bitte, mir eine Route nach dem Norden auszuarbeiten, wurde sofort einem Angestellten zur Bearbeitung übergeben, aber dann haperte es mit ihrer Erfüllung. Nach mehrfachen Besuchen und langem Warten erhielt ich eine in wenige Minuten verfertigte Liste von Ortsnamen in die Hand gedrückt’ und ich war so klug wie zuvor. Die Portugiesen sind ein Mischvolk mit stark negroidem Einschlag, auf den man aber im Lande beileibe nicht anspielen darf. Kurz vor meiner Ankunft war ein bekannter französischer Journalist aus dem Lande gewiesen worden, der es eine Negerrepublik genannt hatte. Das geht freilich zu weit. Aber vieles mutet so uneuropäisch an, daß man mindestens die südliche Hälfte des Landes, auch in klimatischer Hinsicht eher Afrika zuteilen möchte, während der schon seit Jahr; hunderten unter englischem Einfluß stehende Norden mit seine passablen Straßen eher unseren Vorstellungen von Zivilisation entspricht. Auch die Fahrt nach diesem Norden war kein Vergnügen. Auf Anraten des Automobilklubs hatte ich meinen Beiwagen mit der Bahn nach C o i m b r a dirigiert. Von dort aus würde es — so meinte man — wohl möglich sein, ihn wieder zu benutzen. Ich selbst bestieg   mein vielbewährtes D-Rad und fuhr auf einem großen Umwege, der aber bessere Straßen brachte, dorthin. Ueber Loures und Bucelas führte mich ein greulicher Weg an den Tejo, den ich bei Vilafranca mit der Fähre übersetzte, um, dann bald auf seinem linken, dann auf dem rechten Ufer fahrend, nach Colega zu gelangen. Ueber Thomar erreichte ich denn auch mit Mühe und Not meinen Bestimmungsort. Natürlich hatte ich es nicht unterlassen, zu Beginn dieser Fahrt nach dem Norden auch C i n t r a wieder zu besuchen. Ein „glorious Eden“ nennt es sein berühmter Sänger, Lord Byron. Und in der Tat! Es verdient diesen Ruhmestitel. Es gehört zu den wenigen wirklich schönen Punkten dieser Erde, die auch einem abgebrühten Globetrotter imponieren müssen. Nordische und subtropische Vegetation vereinigen sich hier, um in betäu-bender Fülle Berg und Tal von Cintra zu schmücken. Die Burg, die erst vor etwa 50 Jahren von einem deutschen Fürsten, dem Prinzen Ferdinand von Sachsen- Koburg-Kohary, dem Gemahl Marias II., da Gloria erbaut wurde, kommt künstlerisch durch die echt portugiesische Ver-mischung von allerlei Stilen weniger in Betracht als die Reste der alten Maurenburg auf einem Vorberge und das Stadtschloß im Tal mit seinen beiden weitbekannten kegelförmigen Küchenschornsteinen. Gott strafe — alle Redaktionen, welche ihren Mitarbeitern eine Kürze vorschreiben, die bei der Unmasse des Interessanten, Sehens- und Wissenswerten einfach nicht einzuhalten ist, ohne Wesentliches außer acht zu lassen. Im Falle „Motor“ plädiere ich selbst für mildernde Umstände, da mir die wohlwollende Gesinnung meiner Auftraggeber bekannt ist, aber hart ist es doch, über Namen wie Batalha, Thomar, Bussaco, Coimbra mit bloßer Erwähnung hinwegzugehen. Sie wird wenigstens durch die Feststellung erweitert, daß Batalha und Thomar reiche Fundgruben an künstlerischen Schätzen sind, daß Bussaco mit seiner an Mannigfaltigkeit fast noch reicheren Umgebung als Cintra und mit seinem glänzenden Hotel eine Erholungsstätte ersten Ranges ist, während Coimbra alles vereinigt. In der alten Universitätsstadt wetteifern Natur und Kunst (Kathedrale und Museum Machado), um ihr ihre Bedeutung zu geben. Von Coimbra aus nach Norden zu werden die Straßen allmählich immer besser, allerdings nicht ohne einen schlimmen Rückfall vor der Stadt selbst. Wenn man nicht selbst Leidtragender gewesen wäre, so hätte der Anblick der großen Autobusse, die trotz allem verkehren, zum Lachen reizen müssen. Wie   Fregatten schwanken die Ungetüm daher, tanzen von einer Seite der Straße zur anderen und schütteln ihre Fahrgäste in einer Weise durch, die nur portugiesisches Pflegma ertragen kann. O p o r t o , im Lande selbst nur Porto genannt, ist das Handelszentrum. Auch diese Stadt, malerisch am D o u r o gelegen, ebenso wie Lissabon terrassenförmig aufgebaut, bis auf die Altstadt peinlich sauber, voller Leben, ist in höchstem Grade interessant, nicht nur als Hauptstapelplatz für den köstlichen Portwein, der in der Umgebung bis weit ins Gebirge in ausgedehnten Weingärten gebaut wird. Hier wie in Lissabon bestehen große deutsche Kolonien, deren Mitglieder es heute vielleicht nicht so leicht haben, ihre Tüchtigkeit zur Geltung zu bringen wie vor 20 Jahren, die aber allem Anschein nach in dem durch einheimische Elemente immer mehr verstärkten Wettlauf um Besitz und Geltung auf gutem Platze liegen. Erst von Porto aus, nach Norden und nach Osten, findet man Straßen, wie wir sie kennen und wie sie in Spanien heute schon fast das ganze Land durchziehen. Ich wählte die nördliche Route über Bargelas und Viana da Castell nach der Grenzstadt Valenca, wo ich den M i n h o , dort Portugals natürliche Grenze, überschreitend, nach Spanien zurückkehrte. Schon in Coimbra hatte ich meinen Beiwagen wieder in Benutzung genommen und konnte mit meinem wirklich unermüdlich und zuverlässig arbeitenden D-Rade diese zweite Hälfte meiner Portugalfahrt ohne weitere Schwierigkeiten zu Ende führen. Portugal ist ein schönes Land, reich an Schätzen der Natur und der Kunst, die allerdings meist von fremder Hand geschaffen wurden. Es ist ein freundliches und höfliches Volk, welches dieses schöne Land bewohnt. Den Deutschen wohlgesinnt, gutmütig (es gibt keinen besseren Beweis dafür als die unblutigen Stiergefechte) leider aber bis zu einem gewissen Grade schwach und energielos. Die starke Vaterlandsliebe, die alle Portugiesen beseelt, wird das heute schon fühlbare „Erwachen“ beschleunigen, und wenn die neugeborene Energie dem europäischen Skandal — so bezeichnen die eigenen Zeitungen den gegenwärtigen Zustand der Straßen — ein Ende macht, dann wird Portugal in allen seinen Teilen ein Autotouristenland par excellence werden. Heute kann nur der Norden und der Nord-osten dieses schönen Landes mit ungemischter Freude befahren werden.

So reich an Empfindungen war noch keine meiner grossen Auslandsfahrten wie diese durch Portugal. Überreich an freudigsten und - sehr schmerzlichen Empfindungen!


Oktober 2016 - Ein D-Rad Motor wird überholt

www.d-rad.ch Benno Stöcklin Ein D-Rad Motor wird überholt – Teil 3 (Montage) Nach dem Zerlegen des Motors (Berichte des Monats April und Mai 2016) und der Überholung defekter Teile erfolgen die letzten Schritte des Zusammenbaus. Die Stösselmuttern waren oben leicht ein-geschlagen und daher nicht mehr plan. Ich habe diese auf eine Spannhilfe aufgespannt und überschliffen. Nebenstehend sieht man die frisch überhol-te Kurbelwelle. Sie wurde gereinigt und revidiert. Folgende Arbeiten wurden ausgeführt: Linkes Kurbelwellenlager ersetzt Unteres Pleuellager samt Zapfen ersetzt Oberes Pleuellager ersetzt Beim Ausbau der Kurbelwelle hatte ich be-merkt, dass der Pleuel ein sehr hohes seitli-ches Spiel hatte. Er liess sich seitlich bis an die Kurbelwangen bewegen. Grund dafür war anscheinend der Ausbruch mehrerer Teile vom Pleuellager-Käfig. Diese haben an der gehärteten Welle massiven Schaden angerichtet. www.d-rad.ch Benno Stöcklin www.d-rad.ch Benno Stöcklin Der Einbau der Kurbelwelle in das Gehäuse erfolgt ohne Probleme. Hier ist wieder zu beachten, dass man das «Löffelchen» an der linken Kurbelwange nicht beschädigt. Durch Drehung der Kurbelwelle sollte nach jedem Arbeitsschritt die Leichtgängigkeit der gesamten Einheit überprüft werden! Sämtliche Komponenten reichlich mit Mo-torenöl schmieren! Das rechte Kurbelwellenlager kann nun auf die Welle aufgezogen werden. WICHTIG: den Zwischenring hinter dem Lagerring nicht vergessen! Zusammenbau von Lagerring und dreiecki-gem Sicherungsblech. Die Schrauben sollten gesichert werden. Anschliessend erfolgt Auflegen der Papier-dichtung sowie des Kurbelgehäusedeckels Der Kurbelgehäusedeckel wird durch sechs Sechskantmuttern und zwei Kronenmuttern gesichert. Damit das Alugehäuse durch die Federringe nicht beschädigt wird, sind Un-terlegscheiben zwischen den beiden Teilen eingelegt. Die Kronenmuttern befinden sich unter dem Zwischenrad des Zünderantriebes und wer-den mit Splinten gesichert. www.d-rad.ch Benno Stöcklin Den abnehmbaren Innenring des Lagers steckt man auf den Kurbelzapfen, bevor der Druckring und das Steuerungsantriebsrad folgen (Passfeder nicht vergessen). Bevor man die Mutter aufschraubt, sollte eine Markierung für die Position des Siche-rungsdrahts angebracht werden. Dies er-leichtert die Montage. Damit ich die Mutter alleine festziehen konnte, habe ich den Pleuel mit Hilfe von zwei Kanthölzern blockiert. Auf den linken Kurbelzapfen wird nun der Sprengring aufgezogen. Danach kann der kleine Deckel mit den drei Senkschrauben befestigt werden. Im Anschluss erfolgt die Montage der Steu-erräder. Dabei ist zwingend auf die Markie-rungen auf den Rädern zu achten! Beim Auslassnockenrad gehört aussen eine Anlaufscheibe hin. Auf das Spiel zwischen Zwischenrad und Zünderrad sollte unbedingt geachtet wer-den. Das Zahnspiel kann durch ein Messing-blech unter dem Zünder angepasst werden. www.d-rad.ch Benno Stöcklin Nachdem der Steuerräderdeckel montiert ist, hatte ich die noch leicht überstehende Dichtung mit einem Japanmesser wegge-schnitten. Der neue Kolben wird am Pleuel montiert. Auch hier sollte man nicht an Öl sparen, damit beim ersten Start genug Schmierung vorhanden ist. Mit besonderer Vorsicht wird der Kolben in den Zylinder eingeführt. Unter den Zylinder gehört eine Papierdichtung. Anbauen des Ventilausheberhebels: Zwi-schen Gehäuse und Hebel sitzt bei der R0/4 eine Scheibe; bei den späteren Modellen eine Filzdichtung. www.d-rad.ch Benno Stöcklin Der Klemmbolzen wird mit der Sechskant-mutter vorsichtig eingezogen. Danach kann die Kegelfeder eingesetzt werden. Der Halter für die Zündregulierung ist nach-gebaut und vernickelt. Er darf keinesfalls zu weit eingeschraubt werden, da sonst das darunterliegende Zwischenantriebsrad be-schädigt wird! Die Federöse ist aus Federstahldraht gebo-gen. Damit das Alugehäuse nicht beschädigt wird, legte ich zusätzlich eine Unterleg-scheibe darunter. Die Spiralfeder wurde auf Mass zugeschnitten und die Ösen werden entsprechend geformt. Das Kettenrad weist wenig Verschleiss auf. Deshalb kann es ebenfalls wiederverwendet werden. Die Übersetzung einer Solomaschi-ne beträgt 19 auf 37 Zähne. Die Mutter muss gut angezogen werden, damit das Kettenrad auf der Welle stramm sitzt. www.d-rad.ch Benno Stöcklin Die Kupplungsbrücke kann wieder ange-schraubt werden. Die Schnecke wurde nur lose zusammengefügt, da die Einstellung mit dem Fusspedal erfolgen muss. Das Ventilspiel wird mit einer Fühlerlehre auf 0.2 – 0.3 mm eingestellt. Jetzt erfolgt der Anbau des Hitzeschutz-schildes sowie des Ventilabdeckbleches. Die zusätzlich angebrachte Leitung zur Schmierung der Ventilschäfte war durch die Vibrationen spröde und mehrfach gerissen. Ich habe diese neu gefertigt und verlötet, so wie es vorher schon war. Als letzte Arbeitsschritte wurde das Zündkabel angebracht und der Vergaser angeschraubt, wobei letzterer bei der Montage in den Rahmen wohl nochmals entfernt werden muss. Um den Zündzeitpunkt zu kontrollieren, hatte ich den Kühlturm nochmals weggeschraubt, den Kolben posi-tioniert und am Unterbrecher gemessen, wann er öffnet. Da der Motor im Rahmen fast gänzlich zerlegt werden kann, erfolgt erst nach dem kompletten Zusammen-bau des D-Rades ein Probelauf. Falls es noch Probleme geben würde, wäre eine Nacharbeit weitestgehend «auf der Strasse» möglich. www.d-rad.ch Benno Stöcklin Einbaufertig!

Jedem steht die gleiche Aufgabe bevor, wenn er ein D-Rad selber restaurieren will: Der Motor muss komplett zerlegt werden.
Teil 3 von 3 (Montage)


September 2016 - Die Funktion der Ölpumpe im Praxistest

In einem Video wird gezeigt, wie die Pumpe des D-Rades arbeitet und Öl fördert.
Ein Dank geht an R. Scheinpflug, welcher das Material zur Verfügung stellte!


August 2016 - Kritische Studien zur 6 Tage-Fahrt 1929

Kritische Studien zur 6 Tage-Fahrt Als Berichterstatter mit einer Seitenwagenmaschine bei der Internationalen Sechstagefahrt 1929 (Eigener Bericht) (Sämtliche Photos von Hoepfner)

EINE „fixe Idee“, auf einem Motorrad die äusserst schwierigen „6 Days“ mitzumachen, hatte zweierlei Gründe. Erstens wollte ich persönlich in der Praxis feststellen, welcher Art die Schwierigkeiten sind und zweitens, ob man mit einer gewöhnlichen Serienmaschine überhaupt in der Lage ist, derartige Konkurrenzen zu bestreiten. Ich war mir von vornherein klar darüber, dass die Anstrengungen für mich — obwohl ich alter Motorradfahrer bin und auch früher schon mehrere Langstreckenfahrten in Konkurrenz mitgefahren habe — sehr gross sein würden, zumal ich ja ausser dem Fahren noch eine sogenannte „Nebenbeschäftigung hatte, Berichte schreiben, photographieren, telephonieren und depeschieren. Dass gerade nach den Strapazen die Durchführung meiner übernommenen Verpflichtungen mehr als schwer war, bedarf wohl keiner besonderen Belege, zumal ich über die Schwierigkeiten der Alpenpässe mir doch eine falsche Vorstellung gemacht hatte und das Arbeiten durch die schlechte Pressebenachrichtigung des Veranstalters, verbunden mit den unglaublichen Post- und Telephonverbindungen aus Oesterreich, Frankreich und Italien mehr als aufreibend war. Bevor ich nun auf Einzelheiten meiner Beobachtungen eingehe, möchte ich ganz allgemein vorausschicken, dass der Wert einer Zuverlässigkeitsfahrt steht und fällt mit der sachlichen neutralen Kontrolle und mit der einwandfreien Strecken-überwachung. Leider wurde der Veranstalter, die FICM., beiden Hauptbedingungen nicht gerecht. Und das ist das Todesurteil der internationalen Sechstagefahrt. Im Interesse unserer Industrie, die hunderttausende Reichsmark in diese Veranstaltung gesteckt hatte, im Interesse unserer grossen Motorradsportbewegung und dem Ansehen unserer Sportverbände, die leider bei dieser Fahrt nur eine rein passive Tätigkeit hatten und nicht zuletzt im Interesse unserer Fahrer, die Gesundheit und Leben aufs Spiel gesetzt haben, muss klipp und klar gesagt werden, dass die Resultate keineswegs ein Spiegelbild der tatsächlichen Leistungen von Maschinen und Konkurrenten sind. Ich will versuchen, die Gründe hierfür anzuführen und werde Vorschläge machen, damit im nächsten Jahre nicht wieder derartige Rückschläge Vorkommen werden. Selbstverständlich sollen meine Anregungen nur Richtlinien sein, die ergänzt und ausgebaut, in manchem Punkte vielleicht auch abgeändert, den Rahmen einer Zuverlässigkeitsfahrt abgeben, wie wir sie brauchen.

  1. Die Strecke

 

Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, eine Fahrt durch fünf verschiedene Länder zu führen, wenn jedes Land dabei noch eigene Richtlinien für die verantwortliche Streckenüberwachung und Zeitkontrollen hat. Es gab mehrere Fälle, wo Fahrer Erklärungen abgeben wollten oder berechtigte Proteste hatten, sich aber nicht verständlich machen konnten, weil der betreffende Funktionär nur deutsch oder französisch oder englisch verstand. Die Unterstützung der offiziellen Wagen der FICM. Kam nur teilweise in Frage, da diese selbst grosse Schwierigkeiten hatten, die Strecke zu bewältigen; in drei Fällen blieben sogar Funktionärwagen liegen und gefährdeten dadurch die einwandfreie Abwicklung der Veranstaltung.

Also erste Bedingung:   Verantwortliche Leitung nur ein Land! Zweite Bedingung: Jeden Tag das gleiche Etappenziel (also Strahlenfahrt). Dritte Bedingung: Nur Serienmaschinen aus dem Lager irgendeines Händlers! Vierte Bedingung: Von jeder Fabrik die gleiche Anzahl Maschinen (entweder 3 oder 6). Es ist nämlich aus den Resultaten nicht ersichtlich, wieviel Räder eines bestimmten Fabrikates auf der Strecke blieben. Schliesslich ist eine goldene Medaille, wenn von der gleichen Marke mehrere Fahrer wegen Motordefektes etc. ausgeschieden sind, noch kein Wertmesser der überlegenen Qualität, da z. B. vier silberne Medaillen, wenn alle Räder am Ziel sind, eher ein Beweis sind für Zuverlässigkeit. Es muss also eine Formel gefunden werden, wo der Preis gleichzeitig auch den prozentualen Ausfall erkennen lässt. 2.   Die Kontrollen Diese waren eingeteilt in Zeit- und Geheim-kontrollen. Leider war die Abwicklung oft durch grossen Andrang nicht einwandfrei, was vor allem in den ersten beiden Tagen einem Teil unserer Fahrer ungerechte Strafpunkte einbrachte; andererseits differierten die Uhren bis zu 4 Minuten, was vor allem bei zu frühem Eintreffen manche Fahrer benachteiligte (5 Minuten waren Karenzzeit, für jede weitere Minute gab es 2 Punkte). Geheimkontrollen gab es sonderbarerweise nur zwei, am ersten und zweiten Tag (gehässige Zungen meinten, es wäre ja auch nachher nicht mehr nötig gewesen, da „nur noch“ die Engländer strafpunktfrei waren). Entgegen den Bestimmungen nahm der Engländer Ebbelwhite allein die Zeitnahme. Ich glaube kaum, dass es möglich ist, auch nur bei drei Fahrern — wenigstens sah man 8 bis 10 Konkurrenten gleichzeitig in die Ortschaften einfahren — die Zeiten ganz allein einwandfrei aufzunehmen. Noch sonderbarer ist, dass am ersten Tage nur Fahrer der Nr. 1—27 und am zweiten Tage nur Fahrer der Nr. 26—89 Strafpunkte für zu frühes Eintreffen erhielten. Von 1—104 waren nun Konkurrenten der Länder Schweden, Holland, Frankreich, Irland, Dänemark, Schweiz, Oesterreich und vor allem Deutschland. Es wäre für die OMB. eine dankenswerte Aufgabe, festzustellen — sofern das noch nicht geschehen sein sollte —, ob wirklich in beiden Geheimkontrollen alle Fahrer gezeitet wurden. Selbst wenn nur einzelne ausgelassen worden wären, ist die Geheimkontrolle u n g ü l t i g. Ueberhaupt gäbe es so viele Unterlagen zur Nachprüfung. Wenn man diese auch nicht der Presse zur Verfügung stellen würde, die Industrie wäre sicher sehr dankbar; denn letzten Endes will jeder Kaufmann wissen, wofür er sein Geld ausgegeben hat. Ferner lautete der § 25 so schön: „Während der Veranstaltung darf ein Motorrad seine Geschwindigkeit nur von seiner Fortbewegungsquelle, den Muskelanstrengungen seines Fahrers und Beifahrers und natürlichen Ursachen - (Fortsetzung auf Seite 35)

 

Fortsetzung von Seite 15

wie von der Schwerkraft herleiten“. (Weshalb hat man dann die Fahrer der „6 Days“ über den Ettaler Berg und die Kesselbergstrasse gehetzt? Um sportbegeisterten Zuschauern Bewegung zu verschaffen?) Mit dieser groben Verletzung der Ausschreibungsbestimmungen hat der Veranstalter bewiesen, dass er nicht in der Lage war, den Wettbewerb einwandfrei zu überwachen. Schliesslich war das Endresultat zu vier Fünftel dann noch von den Reifenpannen und dem Genfer Geschwindigkeitsrennen abhängig. Ich gebe zu, dass es schwer ist, solange es keine Mittel gegen Nageldefekte gibt, eine Formel zu finden, die dieser Art von Defekten auch nur einigermassen gerecht wird. Aber es liesse sich folgendes — was ja bei der Dreitagefahrt ähnlich mit Erfolg versucht worden ist — machen. Jeder Fahrer bekommt beim Start einen mit seiner Nummer gestempelten Flicken, der ausserdem die Nebenbezeichnung a) hat. Wenn nun der Fahrer 104 eine Nagelpanne hat, verwendet er diesen Flicken 104a, meldet dies in der nächsten Zeitkontrolle, erhält dafür eine Eintragung in seine Kontrollkarte, 10 Minuten Gutschrift und ausserdem einen neuen Flicken 104b. Hat der Fahrer bei seiner Panne mehrere Löcher im Schlauch, dann kann er ja diese mit Flicken aus seinem mitgeführten Reserveflickkasten zukleben. Benachteiligt wäre nur dann ein Fahrer, wenn er zweimal in der gleichen Etappe — was übrigens sehr selten vorkommt, da diese sich meistens zwischen 50—80 km bewegen — Nagelpannen hätte. Hierfür gäbe es natürlich keine Gutschrift. Auf alle Fälle würde bei einer derartigen Regelung, welche ja evtl. noch verbesserungsfähig ist, die ungerechte Härte der Reifenpannen aus den Zuverlässigkeitsfahrten verschwinden. Und nun zu dem Geschwindigkeitsrennen An sich ist es etwas, das den Käufer eines Motorrades absolut nicht interessiert, ob seine Maschine nach einer Hetzjagd von 6 Tagen über die schwierigsten Alpenpässe noch 90—100 oder 120 km Höchsttempo fährt; denn das war nötig, um einen Stundendurchschnitt von 70—80 km zu fahren. Wenn es an sich schon ein Unding ist, von untengesteuerten Maschinen das gleiche zu verlangen wie von obengesteuerten, ist es vollständig unverständlich, dass man z. B. von einem 300-ccm-Zündapp-Zweitakter 75 km und von einer Rennmaschine wie die 500er Rudge-Ulster oder 750ccm-BMW. 80 km verlangt, also bei dem doppelten Hubinhalt und mehr sage und schreibe 5 km Unterschied. Aber noch krassere Ungerechtigkeiten zeigte das Rennen. Es gab Maschinen, die sich vor dem Rennen 1—1 1/2 Stunden abkühlen konnten, wo Fahrer das Oel abliessen, Rennkerzen einschraubten, die Reifen mit grösserem Luftdruck aufpumpten, Ketten spannten und Bremsen nachstellten. Das waren Vorteile von ganz enormem Ausschlag. Andere kamen — weil sie das Pech hatten, die Schlussnummer zu haben — nur Minuten vor dem Geschwindigkeitsrennen an, hatten überhitzte Motoren, konnten kaum Benzin und Oel auffüllen, geschweige denn ihre schwere Ausrüstung ablegen, sich etwas ausruhen, waschen und erfrischen, und los ging das Geschwindigkeits-rennen. Es ist sogar unverantwortlich und widerspricht der Auffassung des Sportes, Fahrer in ein Ge-schwindigkeitsrennen zu hetzen, die keine einwandfreien Bremsen oder nicht genügend Luft in den Schläuchen haben. Nur dadurch kamen die Stürze von Mac Queen, Rüttchen und von Krohn vor. Ich glaube, das genügt, um sich ein Bild von dem Fiasko, das die 6 Days waren, zu machen. Nachfolgend noch eine kurze Zusammenstellung — in der Reihenfolge der Startnummern — und Würdigung unserer deutschen Teilnehmer, soweit ich Unterlagen persönlich sammeln konnte. 53 deutsche Fahrer waren in Konkurrenz, 10 blieben auf der Strecke: 1.   Trapp auf Victoria-Seitenwagenmaschine (Achs- bolzenbruch; bei Mitführen einer Reserveachse wäre Weiter-fahrt sofort ohne Strafpunkte möglich gewesen, leider fiel dadurch unser Nationalteam aus). 2.   Polster auf D-Rad durch Sturz infolge Reifenpanne, Felgenbruch. 3.   Thumshirn auf Ardie mit Seitenwagen, Zahnrad-bruch im Getriebe. 4.   Schmidt auf Triumph, Reifenpanne und daher Zeit-überschreitung. 5.   Seelos auf D-Rad, durch Sturz Hand gebrochen. 6.   Bobsien, 7 Wiemer, 8. Schirmer, 9. Ryll, alle auf Schliha, genauer Grund des Ausscheidens nicht bekannt. 10. Hieronymus auf Zündapp, Magnetdefekt (fuhr nach Behebung der Störung die ganze Strecke ausser Konkurrenz mit). Diese 10 Ausfälle sind also alles andere als ein schlechtes Abschneiden unserer deutschen Industrie. Folgende 16 Fahrer — also ein Drittel — kamen straf-punktfrei über die schwierige Strecke und bewiesen damit Qualität des Materials und Fahrerroutine: 1. von Krohn auf Zündapp; 2. Rüttchen auf Standard; 3. Lowe auf Ardie; 4. Siekmann auf Zündapp; 5. Kagerer auf Horex; 6. Frank auf DKW.; 7. Ley auf Triumph; 8. Nagel auf Diamant; 9. Rossner auf Victoria; 10. Fleischmann auf Triumph; 11. Wüllner auf NSU.; 12. Prybylski auf D-Rad; 13. Lismonde auf Goericke; 14. Kittner auf Zündapp; 15. Winkler auf DKW.; 16. Gerlach auf Standard. In den ominösen Geheimkontrollen erhielten Strafpunkte und waren daher — wenigstens ein Teil der Fahrer — zu Unrecht benachteiligt worden: 1. Henne auf BMW. 6 Punkte; 2. Soenius auf BMW. 6 Punkte; 3. Pätzold auf NSU. 2 Punkte; 4. Baltes auf Standard 2 Punkte (Reifenschaden); 5. Weichelt auf Zündapp 6 Punkte (Reifenschaden); 6. Müller auf DKW. 6 Punkte (Reifenschaden); 7. Neisse auf Rudge 2 Punkte (Reifenschaden); 8. Thumshirn auf Ardie 2 Punkte; 9. Hirth auf Schüttoff 6 Punkte; 10. Hanni Köhler auf BMW. 12 Punkte; 11. Baylon auf BMW. 4 Punkte; 12. Dollmann auf NSU. 6 Punkte. Leider gab es dazu noch bei einzelnen Zeitkontrollen Uhrendifferenzen, Aufenthalte beim Tanken durch grossen Andrang und vieles andere, was man leider nicht alles erfahren konnte. Nur noch einen krassen Fall: Mittenzwei auf Schüttoff war am 6. Tage noch strafpunktfrei und erhält 5 Punkte, obwohl er mit Zeugen nachwies, dass ihn in dem engen Forclazpass ein Lastwagen nicht Vorfahren liess. Ich hoffe, dass diese Tatsachen mit dazu beitragen werden, dass sich weite Motorradkreise ein ungefähres Bild von den tatsächlichen Leistungen der deutschen Industrie und ihrer Fahrer machen können.    Adolf     Meurer

 

Mittagsrast von Soenius und Pätzold

Ein englischer Beiwagen überholt den Oberleitungswagen Unten: Der Unfall unseres Berichterstatters. Dr. Stüler (OMB.) und Dörnke, deutscher Delegierter der Fahrtleitung, helfen, das verlorene Rad einzubauen   Thumshirn auf Ardie am Ettaler Berg

Eine holländische Maschine wird von Zuschauern mit Begeisterung hochgeschoben Ein Bild vom Rundstreckenrennen in Genf, der Abschlussprüfung

Eine "fixe Idee", auf einem Motorrad die äusserst schwierigen "6 Days" mitzumachen, hatte zweierlei Gründe. Erstens wollte ich persönlich in der Praxis feststellen, welcher Art die Schwierigkeiten sind und zweitens, ob man mit einer gewöhnlichen Serienmaschine überhaupt in der Lage ist, derartige Konkurrenzen zu bestreiten...


Juli 2016 - Von Berlin zur Ostsee.

Von Berlin zur Ostsee. Zeltlager an der Ostsee. — Im Hintergrunde rechts Misdroy. Diese Tour ist in erster Linie für Berliner Motorradfahrer bestimmt oder solche, die für kürzere Zeit in Berlin sind und gern bei der Gelegenheit die Ostsee „mitnehmen“ möchten. Die Chausseen sind in Brandenburg und Pommern in guter Beschaffenheit, so dass die Fahrt als solche schon einen Genuss bietet, der noch erhöht wird durch die freundlichen Landschaften, durch welche unser Weg in sanftem Bergauf und Bergab dahinführt. Wir haben die Strecke so gelegt, dass bekannte Ortschaften oder irgendwelche historische Stätten berührt werden, und zwar führt die Chaussee von Berlin über Angermünde nach Prenzlau und von dort über Anklam nach Swinemünde. Wenn auch die Strasse Berlin — Klosterfelde — Gross Schönebeck — Milmersdorf — Prenzlau etwas kürzer ist, so möchten wir doch die erste Streckenführung empfehlen, da sie landschaftlich schöner liegt. Die Ausfahrt aus Berlin beginnt am Alexander-Platz, von wo wir durch die Neue Königstrasse (Einbahnstrasse in unserer Fahrtrichtung) und die Greifswalder Strasse in die Berliner Allee in Weissensee kommen, die wir immer geradeaus weiter verfolgen, bis wir kurz hinter dem links liegenden Weissen See plötzlich ins Wiesengelände der nördlichen Berliner Rieselfelder kommen. Nach kurzer Zeit durchfahren wir das erste Dorf, und zwar Malchow, und wieder nach einigen Minuten Fahrt erreichen wir Lindenberg, wo am Ende des langgestreckten Dorfes unsere Strasse scharf nach links abzweigt (Wegweiser „Stettin“), um gleich darauf nochmals in scharfer Kurve nach rechts abzubiegen. Kurz hinter Schwanebeck sehen wir die Türme von Bernau, in das wir etwas später nach Unterfahrung der Berlin-Stettiner Eisenbahn einlaufen. Das 1142 gegründete alte Städtchen, und besonders die alten Stadtmauern, die wir bei der Ausfahrt aus Bernau rechts vom alten Stadttor sehen, sind interessant. In, vor und hinter Bernau, hauptsächlich aber dahinter, haben wir etwas schlechtes Pflaster, das jedoch allmählich besser wird. Nach insgesamt 34 km ab Berlin sind wir in Biesenthal, wo einige unserer bekanntesten Boxer ihr ständiges Trainingsquartier aufgeschlagen haben. In Biesenthal selbst geht es scharf rechts ab, gleich dahinter befindet sich ein geschützter Eisenbahn-Übergang. In sanfter Wellenlinie führt die Chaussee weiter durch ausgedehnte Wälder und Kornfelder nach Eberswalde (Spritzkuchen!). In der Stadt zweigen die Strassen nach Freienwalde (15,9 km) und nach Liebenwalde (30,6 km) ab. Ungefähr 7 km hinter Eberswalde liegt das ehemalige Zisterzienserkloster Chor in, welches 1543 Domäne wurde und in dem sich heute eine Oberförsterei befindet. Von der Strasse aus können wir das Kloster mit seinen spitzen Türmchen liegen sehen, und es empfiehlt sich ein kurzer Besuch der ganzen Anlage. Das grosse, leere Kirchenschiff ist verfallen und der dicht danebenliegende uralte Friedhof verwachsen und bewuchert. Auf der Weiterfahrt treffen wir hinter dem Kloster einen herrlichen, zum Grundstück gehörenden See, und weiter geht’s durch ausgedehnte Waldungen, die hauptsächlich aus Kiefern und nur zum geringeren Teile aus Laubbäumen bestehen, Nach insgesamt 76 km ab Berlin sind wir in Angermünde. Hier gabelt sich unsere Strasse, und zwar verlassen wir jetzt den bisherigen Wegweiser „Stettin“ und biegen links ab (Wegweiser „Prenzlau“). Unsere Strasse führt durch weite Felder und Wiesen, die eine insgesamt eintönige Landschaft ausmachen, über Greiffenberg nach dem 41 km weit entfernten Prenzlau. Trotzdem diese Stadt an dem grossen Unter-Ücker-See liegt, sehen wir von dem letzteren kaum etwas, dagegen fiel uns schon von weitem die grosse, zweitürmige Marienkirche auf, die als älteste der sechs vorhandenen Kirchen im Jahre 1340 gebaut wurde. Der Hafen von Swinemünde. Marktplatz und Marienkirche in Prenzlau. Oben: Im Garten von Kloster Chorin. Aus Prenzlau geht es genau in nördlicher Richtung heraus (Wegweiser „Anklam — Pasewalk — Swinemünde“). Nach 24 km treffen wir in Pasewalk ein, das früher durch die Kürassiere bekannt war. In der Stadt überqueren wir auf einer schmalen Brücke die Ücker, und weiter geht s in Richtung Anklam. Kurz hinter dem Dorfe Jatznick haben wir mitten im Walde einen ungeschützten Bahnübergang. In Ferdinandshof zweigt nach rechts eine Strasse nach Ückermünde am Stettiner Haff ab. Nach weiteren 27 km sind wir in Anklam, dessen beide gotischen, aus dem 13. Jahrhundert stammende Kirchen, St. Mariä und St. Nikolai, wir schon von weitem erkennen. Die Peene wird auf einer schmalen Holzbrücke überquert, und kurz hinter der Stadt stehen wir an einer Gabelung unserer Chaussee: Wir können beide Strassen fahren und kommen auf beiden nach Swinemünde. Empfohlen sei aber, von hier aus eine Schleife zu fahren, die wiederum hier endet. Wir fahren also beispielsweise geradeaus (Wegweiser „Greifswald“) und kommen über Wolgast, Zinnowitz und Heringsdorf nach Swinemünde, von wo wir über Usedom wieder hierher zurückgelangen. Diese ganze Schleife — von Anklam nach Anklam — ist 117 km lang. Entscheiden wir uns für die Weiterfahrt geradeaus in Richtung Greifswald, so müssen wir diese Strasse kurz hinter Zarnekow scharf rechts einbiegend (Wegweiser „Wolgast“) verlassen. Trotz der Nähe der See haben wir ausgerechnet auf diesem Stück einige verhältnismässig starke Steigungen; da sich jedoch die Strasse in ausgezeichnetem Zustande befindet, sind sie leicht zu schaffen. Nach insgesamt 33 km ab Anklam laufen wir in Wolgast ein, wo unsere Motor-radtour auf kurze Zeit unterbrochen wird; Wolgast liegt an der Peene, einem der drei Verbindungsarme des Stettiner Haffs zur Ostsee, und über diesen Arm setzen wir mit einer Wagenfähre. Es kann im Hochsommer zur Badesaison passieren, dass man etwas warten muss oder sich sogar anzustellen hat; normalerweise geht jedoch die Beförderung recht flott, und die meist immer am anderen Ufer befindliche Dampffähre kommt nach kurzer Zeit herüber, so dass wir unser Rad bequem auf das Schiff schieben können. Das Übersetzen eines Motorrades kostet 1 Mark. Wenn wir drüben am anderen Ufer gelandet sind, befinden wir uns auf der Insel Usedom, auf der sehr viele bekannte Seebäder liegen. Noch haben wir nichts von der so ersehnten Ostsee gesehen; auch dann noch nicht, wenn wir nach 7 km ab Wolgaster Fähre in Zinnowitz einlaufen; wollen wir hier aber unbedingt ans Meer, so müssen wir für kurze Zeit unsere Strasse verlassen und rechtwinklig zu ihr nach links einbiegen. Nach ungefähr drei Minuten Fahrt sehen wir dann das endlose Meer vor uns. Wir besteigen nunmehr wieder unser Rad und fahren in langsamem Tempo zurück; wir betonen besonders das „langsam“, da hier wie in allen Badeorten auch Erholungsbedürftige und Kranke sind, die man nicht durch zu schnelles Fahren gerade in diesen völlig verkehrslosen Orten erschrecken soll. Wir erwerben uns viel mehr Freunde und finden weit mehr Entgegenkommen und Verständnis durch rücksichtsvolles Fahren; auf der Chaussee kann man ja aufdrehen, bis der Gashebel den Anschlag berührt, und hier mag man, wenn es sein muss, die drei Minuten Zeitverlust einholen; aber auch das ist nicht nötig, da wir ja eine Erholungsreise und keine Rekordfahrt machen. Wir biegen in unsere alte Strasse nach links ein und nähern uns langsam der Ostsee. Zwischen Zinnowitz und Koserow, bei ZempIin, erreichen wir jene Stelle, an der  unsere Strasse derart dicht die See berührt, dass uns nur wenige Meter von dem Steilabfall zum Wasser hin trennen. Wir können bei Zempin auf schmalem Wege links in den Wald einbiegen und stehen bald auf der Höhe des sandigen Ufers. Unter uns braust und brandet das weite Meer; soweit das Auge reicht, 'erblicken wir nur Wasser, und während unser Uferstreifen nach rechts in grauer Lerne verläuft, gewahren wir weit links die Badeanlagen von Zinnowitz. Hier an dieser Uferstelle bietet sich für den modernen Motorsportler Gelegenheit, einige Tage im mitgebrachten Zelt, fernab vom lauten Getriebe des mondänen Badelebens, auszuruhen. Von Zempin geht es auf wun-derbarer Strasse weiter nach Kose-row; während die Ostsee links durch den davorliegenden Waldstreifen verdeckt wird, erschliesst sich unserem Auge nach rechts der Blick auf das grosse Achterwasser, einen Teil des Stettiner Haffs. Auf der ganzen Insel Usedom befinden sich die Strassen dank der Badeverwaltungen in ausgezeichnetem Zustande. Sie sind meist schnurgerade und seitlich mit hohen Bäumen bepflanzt. Kurz vor Koserow sehen wir linkerhand ein Indianerdorf liegen; das ist aber nicht ganz so schlimm, da es sich hier um malerisch ausgeführte Badeschuppen handelt, die sich stilvoll dem Charakter des Gesamtbildes anpassen. Kurz darauf fahren wir durch Koserow, und allmählich entfernen wir uns wieder mehr und mehr von der See, bis wir hinter Ückeritz ein derart grosses Stück Wald zwischen uns und die See gebracht haben, dass wir das monotone Brausen des Meeres nicht mehr hören können. Nach 16 km ab Koserow laufen wir über Bansin in Heringsdorf ein. Man muss im Orte selbst sehr vorsichtig fahren, da es in der Stadt dauernd stark bergauf und bergab geht. Auch hier sehen wir nicht das Meer, sofern wir nicht zu diesem Zwecke wiederum nach links hereinbiegen. Ebenso ergeht es uns in dem 2 km entfernten Ahlbeck. Wir befinden uns übrigens jetzt auf der Rennstrecke des klassischen Bäderrennens, das hier vor zwei Jahren zum letzten Male ausgetragen wurde. Schnurgerade führt diese im saubersten Zustande befindliche Strasse von Ahlbeck parallel zur Eisenbahn 4 km weit nach Swinemünde, wo unsere Ostsee-Fahrt beendet ist. Swinemünde und seine Umgebung bietet im Verein mit den grossen Hafenanlagen und den Werften sowie den vielen die Swine in langsamer Fahrt passierenden Ozeandampfern oder Segelschiffen so viel Interessantes, dass man sich hier bequem einen oder mehrere Tage aufhalten kann. Von Swinemünde geht eine Dampffähre über die Swine nach Ostswine; diese Fähre arbeitet von 6 Uhr früh bis abends 10 Uhr. Der Fährmann hat ein sehr einnehmendes Wesen; er verlangt von uns für das Motorrad 50 Pfg., ein Rad mit Beiwagen und zwei Personen kostet 1,40 M. Von Ostswine kann man noch einen kleinen Abstecher über Forsthaus Neukrug und Liebeseele nach dem 15 km entfernten Misdroy machen. Dieser Ort ist aber auch von Swinemünde aus mit einem Motorboot zu besuchen, wie überhaupt alle die eben genannten Badeorte Motorboot-Verbindung haben. Alle Hotels und Gaststätten an der Ostseeküste haben Garagen oder sonst eine Unterstell-Möglichkeit für unser Motorrad, und wenn wir es erst solide im Stall untergebracht haben, können wir uns frohen Herzens ins Familienbad begeben, wo wir zugleich mit dem Reisestaub unsere Müdigkeit abspülen. Nur ungern denkt man an den Nachhauseweg, den wir über Usedom wählen, das 25 km von Swinemünde entfernt liegt. Zwischen Usedom und dem 22 km weiten Anklam haben wir nochmals eine Fähre zu passieren; nach nicht allzu langer Fahrt auf dem jenseitigen Ufer treffen wir wieder jene ominöse Weggabel, an der wir kurze Zeit vorher standen und überlegten, welcher Weg einzuschlagen sei. Von hier aus geht es dann auf der eingangs beschriebenen Route nach Berlin zurück. Die geschilderte Strecke ist insgesamt 493 km lang. Tankstellen und Reparaturwerkstätten sind überall vorhanden und schon von weitem durch entsprechende Schilder kenntlich gemacht. Reisebureaus und die Gemeinschaft der Ostsee-Badeorte in Berlin sind gern bereit, Auskunft über Pensionen, Preise usw. in den verschiedensten Badeorten zu geben; die Strecke ist in der ganzen Wegführung gut markiert, so dass ein Verfahren unmöglich ist. Auf zur Ostsee! Vergessen Sie; nicht, dieses Heft zur Orientierung; mitzunehmen, denken Sie an eine Reservezündkerze und dt. Benzin, und vergessen Sie vor allem nicht — die Badehose!

Links oben: Die ideale Chaussee von Koserow nach Heringsdorf.              Rechts  oben:    Der        Kurpark von Heringsdorf. Links amten: Das „Indianerdorf“ bei Koserow.   Rechts  unten:  Ostseebad Ahlbeck.

 

Diese Tour ist in erster Linie für Berliner Motorradfahrer bestimmt oder solche, die für kürzere Zeit in Berlin sind und gern bei der Gelegenheit die Ostsee "mitnehmen" möchten.


Juni 2016 - Die Überholung des Vergasers «SUM D 500»

Die Überholung des Vergasers «SUM D 500» Auf dem Bild sieht man die Ausgangslage. Der Vergaser war stark verschmutzt und die Schwimmerkammer aus Aluminium korrodiert. Ich habe zunächst alles grob gereinigt und dann den Vergaser sorgfältig zerlegt. Sämtliche Teile wurden anschliessend mit Pinsel und feiner Messingbürste unter Zuhilfenahme von Dieselöl gereinigt. Der direkte Vergleich: Nur durch vorsichtiges Reinigen erreicht man sehr viel. Die korrodierte Schwimmerkammer wurde mit ei-nem feinen Scotch-Tuch behandelt. Hierbei war wichtig, dass der noch vorhandene Nickel nicht zer-stört wird. Im nebenstehenden Bild sieht man das Pulver, wel-ches lose in der Schwimmerkammer war. Da der Schieberkolben an manchen Stellen um über 2 mm und die Bohrung um etwa 0.5 mm ausge-schlagen waren, habe ich zunächst die Bohrung ausgedreht. Dafür spannte ich den Vergaser auf ei-nen Stahlwürfel und richtete ihn fluchtend mit der Messuhr aus. Danach drehte ich die Bohrung soweit aus, bis ich wieder eine saubere Oberfläche hatte. Falls ein Vergaser schon einmal ausgedreht wurde oder zu viel Verschleiss aufweist, kann eine dünne Büchse eingezogen werden. Dazu dreht man den Vergaser etwa 1mm aus, um eine 0.5mm dünne Büchse aus Messing einzulöten. Nach dem Verlöten kann man die Bohrung nochmals leicht ausdrehen. Der neue Schieberkolben wird zunächst auf Mass vorgedreht, danach die Freistellung mit Hilfe eines Teilapparates gefräst. Ein Axialeinstichstahl wäre eine Alternative. Der axial verlaufende Schlitz wird ebenfalls auf der Fräsmaschine hergestellt. Schieberkolben und Bohrung passen zueinander. Wichtig: Durch das Aufschlagen des Kolbens auf die Standgasschraube entsteht eine Braue. Dies kann dazu führen, dass der Kolben hängen bleibt! Eine kleine Fase unten am Kolben verschafft Abhilfe. Weiter wurde die durch den Tupfer eingedrückte Schwimmerkammer aufgelötet und ausgebeult. (Bild entstand vor dem Ausbeulen) Der ausgeschlagene Tupfer wurde mit leichtem Übermass neu hergestellt. Die Bohrung im massi-ven Schwimmerkammerdeckel wurde grösser aus-gerieben. Die korrodierte Feder wurde im Zuge der Überho-lung ersetzt. Beim Zylinder der R0/4 sind die Stehbolzen relativ kurz. Daher habe ich eine Dichtung aus 1 mm Fiber geschnitten. Andere Zylinder weisen deutlich längere Stehbolzen auf. Hierbei kommt eine 5 mm dicke Platte aus Hartpapier / Pertinax zur Anwendung. Die 95er Hauptdüse und die 50er Leerlaufdüse wurden mit einer Düsenlehre kontrolliert. Erfahrungsgemäss müsste das D-Rad damit auch mit heutigem Benzin funktionieren. Die Schwimmernadel wurde auf ihre Dichtigkeit überprüft. Ein Einläppen war diesmal nicht erforderlich. Der Schwimmerstand wird vor dem ersten Start des Motors kontrolliert und eingestellt. Deshalb steht eine Schraube am Schwimmerkammerdeckel auch noch vor.

In diesem Bericht wird gezeigt, wie ein Vergaser in alle Einzelteile zerlegt, überholt und wieder zusammengebaut wird.


Mai 2016 - Ein D-Rad Motor wird überholt

Ein D-Rad Motor wird überholt – Teil 2 (Überholung und Montage) Nach dem Zerlegen des Motors (Bericht des Monats April 2016) erfolgt nun die Überholung der Teile sowie die Montage. Die nächsten Seiten zeigen, was bei diesem Motor repariert und ersetzt wurde. Wie bereits im 1. Teil des Berichts beschrieben, hat die nebenstehende Mutter einen Riss. Ich habe aus Sechskantmaterial eine neue gedreht und mit Bohrungen versehen. Bei vielen Motoren ist die Buchse für die Zwischen-rad-Achse im Gehäuse ausgeleiert. Da die Bohrung im Gehäuse noch gut ist, an der Welle aber etwas Spiel spürbar war, habe ich lediglich eine um 3/100 mm grössere Buchse gedreht. Es ist darauf zu achten, dass die beiden Verbindungen einen guten Presssitz aufweisen. Andernfalls kann sich die Welle im Betrieb verdrehen und der Öltrichter steift irgendwann am Kupplungskorb. Die Ventilstössel waren unten eingelaufen, die Frührungen weisen aber sehr wenig Spiel auf – eine Seltenheit... Trotzdem wurden die originalen Teile zur Seite gelegt und Nachfertigungen eingebaut. Das Spiel zwischen Stössel und Führungspilz musste eingeschliffen werden. Um die Führungen zu wechseln, habe ich den gesamten Deckel mit dem Heissluftföhn erwärmt und die Führungen mit Pressluft gekühlt. Nach dem Einpressen eines neuen Rillenkugellagers erfolgt das Wiedereinsetzen des Kupplungslagers in das Gehäuse. Wenn das ganze Gehäuse wieder vorsichtig erwärmt wird (nicht nur punktuell wegen Spannungen), kann die Baugruppe ohne Kraftaufwand in die Bohrung geschoben werden. Die Achtkantmutter wird angezogen. Danach kann das Sicherungsblech, die Vorgelegewelle und das Zahnradpaket wieder eingebaut werden. Die Welle kann mit einer M8-Schraube mit Scheibe und Mutter ganz leicht eingezogen werden. Die Stopfen wurden neu gefertigt und mit Schraubensicherungslack fixiert. Das Vorgelege soll auf der Welle nur wenig Axial- und Radialspiel haben, damit die Ölpumpe genügend Druck aufbauen kann. Dies gilt insbesondere für Motoren mit einer Spritzdüse im Kurbelgehäuse (R0/6 und R9). Danach habe ich alle Dichtungen ausgeschnitten. Dies brauchte viel Geduld, da ich die alten als Vorlage nicht mehr verwenden konnte. Die Bohrungen wurden mit einem Locheisen ausgestanzt, die Konturen mit einem Japanmesser ausgeschnitten. Die zwei kleinen Zahnräder des Getriebes waren an den Klauen ausgebrochen, sodass ich mich entschied, diese aufschweissen zu lassen. Innerhalb einer Woche erhielt ich die Räder wieder zurück. Danach habe ich die Flächen seitlich und stirnseitig auf einer Horizontalschleifmaschine geschliffen und mit einer Diamantfeile verputzt. Sauberes Arbeiten ist hier besonders wichtig. Die ausgebrochenen Stellen der verrundeten Zähne des Schieberades wurden überdreht und verputzt. Ein Kegelstift war beim Demontieren lose und hielt nur noch am Splint. Den anderen Stift musste ich ausbohren. Daher habe ich zwei neue angepasst und mit einer Bohrung versehen. Durch die hohe Federkraft beim Schaltsegment wird die Schaltwelle stark nach aussen gedrückt. Damit der Hebel nicht am Gehäuse reibt, unterlegte ich eine dünne Passscheibe aus Stahl. Die Hauptwelle des Getriebes mit Zahnrädern. Man achte auf die beiden Zwischenringe! Im Anschluss wurde der Lagerschild montiert. Das Rillenkugellager wurde wiederverwendet, da es kaum Spiel ausweist. Der Filzring wurde erneuert. Erst beim Montieren bemerkt: Das Schneckenrad zum Ölpumpenantrieb hat einen ganz feinen Riss, welcher von der Nut ausgeht und bis über die Mitte der Verzahnung verläuft. Zum Glück konnte eine Nachfertigung beschafft und das Teil ersetzt werden. Um den Öltrichter zu befestigen, habe ich einen Bit-Einsatz zusammen mit Gabelschlüssel verwendet. Zur Sicherung der Schraube dient Schraubensicherungslack. Kleiner Kompromiss: Die originalen Senkkopfschrauben konnten leider nicht wieder verwendet werden, daher wurde auf neue mit Innensechskantkopf zurückgegriffen. Bei diesen ist die Festigkeit um einiges höher als bei herkömmlichen Schlitzschrauben. Das originale Sicherungsblech wurde wieder verwendet, jedoch an einer anderen Stelle gebogen. Die Montage der Ölpumpe. Es ist auf das Axialspiel der Pumpenwelle zu achten, da dieses von der Dicke des Dichtungspapiers abhängig ist! Der linke Seitendeckel kann bereits vor dem Einsetzen der Kurbelwelle montiert werden. Das Aufsetzen des Sprengringes auf den Kurbelwellenstumpf wird dadurch aber schwieriger. Schönes Detail: Das Entlüftungsventil und der «Ölablasshahn». Dieser legt den maximalen Füllstand des Öls fest. Das alte Filtersieb war gerissen und somit nicht mehr zu gebrauchen. Der Ersatz wurde ebenfalls in Eigenregie gefertigt. Die alten Kupplungsscheiben waren an den Nocken ausgeschlagen und ein paar Scheiben waren durch Metalrückstände auf den Flächen angefressen. Da kein Ersatz gefunden wurde, liess ich neue Scheiben wasserstrahlschneiden und fräste die Rillen ein (im Original gestanzt). Beim Einsetzen der Scheiben muss darauf geachtet werden, dass man mit einer aussen mitnehmenden Scheibe anfängt. Das Ergebnis überzeugt mich, da die neuen Scheiben völlig plan sind. Ich bin auf das erste Kuppeln gespannt... Nach den Kupplungsscheiben folgt der Einbau von Drucklager, Federkorb, Federn Federdruckplatte. Ich habe die Kupplung nur leicht vorgespannt. Erste Testfahrten zeigen schnell, ob die Federn mehr vorgespannt werden müssen. Der Kickstarterdeckel wird soweit wie auf dem Bild ersichtlich vormontiert: Kickstarter mit Feder einsetzen, Bolzen einführen und sichern und danach die Feder vorspannen. Ich habe sie im mittleren der drei Bohrungen fixiert. Danach kann der ölgetränkte Filzring um das Sperrklinkenzahnrad gelegt werden, um dieses wiederum mitsamt der Druckfeder in das Gehäuse einzuführen. Dabei muss der Anwerferhebel nach unten und das Sperrklinkenzahnrad nach innen gedrückt werden. Im Anschluss wird der Deckel auf das Motorgehäuse gesetzt. Dabei ist auf den dünnen Steg innen am Deckel zu achten. Die Senkschrauben sollten nicht zu fest angezogen werden, da dies zu Rissen im Gehäuse führen kann. Die im Bild gezeigte Mutter waren anscheinend bei frühen R0/4-Motoren gängig. Klebeband hilft mir, wichtige Dinge nicht zu vergessen. Hier muss der Gewindestift zur Sicherung des An-werfer-Bolzens gegen Herausdrehen gesichert werden. Die nächste Arbeit war die Nachfertigung eines Zünder-Spannbandes. Da ein Magnetzünder ohne Lichtmaschine montiert wird, war das vorhandene Spannband zu lang. Durch einen Oldtimerfreund habe ich Rohlinge für das Band erhalten. Der Verschluss wurde in Handarbeit hergestellt und brüniert. Da dieses Motorrad erst um 1930 mit einer Lichtanlage ausgestattet wurde, ist das Spannband nicht original D-Rad, sondern von Bosch. Der Verschluss ist dementsprechend grösser. Damit beim Nieten nichts verrutscht, habe ich während diesem Arbeitsschritt zwei Schrauben eingesetzt. Nun muss, zumindest was den Motor betrifft, eine Pause eingelegt werden. Die Kurbelwelle erhalte ich erst in 4 Monaten wieder zurück. Der Zylinder ist mittlerweile gebohrt und gehont und ein passender Kolben aus Aluminium bestellt. In einem späteren Bericht wird die Überholung des Vergasers behandelt. Über den weiteren Montageverlauf kann erst nach Erhalt der Kurbelwelle berichtet werden.

Jedem steht die gleiche Aufgabe bevor, wenn er ein D-Rad selber restaurieren will: Der Motor muss komplett zerlegt werden.
Teil 2 von 3 (Überholung und Montage)


April 2016 - Ein D-Rad Motor wird überholt

Ein D-Rad Motor wird überholt – Teil 1 (Demontage und Reinigung)

Jedem steht die gleiche Aufgabe bevor, wenn er ein D-Rad selber restaurieren will: Der Motor muss komplett zerlegt werden. In diesem Bericht möchte ich anhand von Bildern erläutern, wie ich vorgegangen bin. Die Ausgangslage zeigte äusserlich einen schönen Fundzustand mit einigen ausgeklügelten Basteleien. Das Aluminiumgehäuse ist leicht angefressen; nicht verwunderlich, da das D-Rad von 1938 bis in die 1960er Jahre in einer Scheune unter Heu stand. Also nichts wie ran an die Arbeit! Natürlich gibt es mehrere Wege, wie man den Motor zerlegt. Ich erlebe jedes Mal neue Tricks und Kniffe, wie es am besten geht. Die Ausgangslage... Als erstes kamen Auspuff, Vergaser und Zylinder weg. Danach habe ich die vordere Ölablasschraube geöffnet; eine honigdicke Flüssigkeit floss langsam über meine Finger heraus. Bemerkung: der Ölstand stimmte bis dahin noch perfekt... Sodann gleich der erste Schock: Zwei Kolbenringe sind mehrfach gebrochen, Teile davon fehlten. Die Messingpilze sind stark eingeschliffen. Blick an die Zylinderwand: zum Glück keine Riefen! Danach wurde der Räderkastendeckel gelöst und vorsichtig abgezogen. Die Zahnräder machen einen guten Eindruck, die Nocken weisen kaum Verschleiss auf. Nach dem Vorwaschen im Kleinteilereiniger wurden die Baugruppen weiter zerlegt. Richtige Spannhilfen und Werkzeuge helfen dabei, die Teile schonend zu zerlegen. Wärme und Geduld sind aber genauso wichtig! Kleinteile wurden am Motor abgebaut, gewaschen, zerlegt und nach genauester Prüfung wieder zusammengebaut bzw. direkt in die Fertig-Kiste gelegt. Solche Details erfreuen des Restaurators Herzen! Die originale Kette weisst auf jedem Glied ein «D» auf. Nächster Defekt: Die Mutter, welche das Steuerzahnrad auf der Kurbelwelle hält, ist gerissen. Ein Ersatz kann selber hergestellt werden. Nach dem Lösen aller Muttern, dem Demontieren der Trittbretter und nach dem Abziehen des Zünderzahnrades lässt sich der Kurbelgehäusedeckel samt Lager und Ventilstösseln entfernen. Leichtes Klopfen mit dem Kunststoffhammer und sanftes Drücken mit den Fingern helfen dabei. Genaues Hinsehen zeigt: Die Lager wurden noch nie gewechselt; die Schrauben sind seit dem ersten Zusammenbau gesichert. Blick auf den offenen Motor. Fotos bei der Demontage helfen beim Zusammenbauen des Motors sehr. Manche Dinge sind in der Euphorie des Zerlegens klar; bei der Montage fragt man sich: wie war das nochmal oder wo war das Teil schon wieder verbaut?! Das Getriebelager lässt sich mit zwei M4-Schrauben ganz einfach abziehen. Um das Gehäuse etwas zu schonen, kann eine Messingfolie zwischen Kugellagerbuchse und Gehäuse eingeführt werden. Der Getriebedeckel mitsamt Zünder wurde entfernt. Erster Einblick ins Getriebe: zum Glück alles in einem brauchbaren Zustand. Der Kickstarterdeckel ist sehr einfach zu demontieren. Es ist aber darauf zu achten, dass man die Mutter unter dem Kickstarter auch löst. Nach dem Lösen der Druckplatte kommt das nebenstehende Bild zum Vorschein. Minimaler Rostansatz deuten auf etwas Wasser im Gehäuse hin. Die Kupplungsscheiben können herausgezogen werden. Danach wird die Mutter der Getriebewelle gelöst und über das Mitnehmerrad nach rechts abgedrückt und herausgezogen. Auch hier gut ersichtlich: Die Schrauben wurden noch nie gelöst. Leider musste ich diese mit dem Schlagschraubendreher öffnen, da Hitze, Rostlöser und Geduld nichts bewirkten. Der Getriebegehäusedeckel löste sich zum Glück ganz einfach ab. Auch hier halfen sanfte Schläge mit dem Kunststoffhammer. Der Sprengring auf dem Kurbelwellen-stumpf links wurde entfernt. Danach kann die Kurbelwelle in der abgebildeten Position ganz leicht herausgezogen werden. Hier ist auf das Löffelchen an der linken Kurbelwange zu achten! Das Motorgehäuse wird mit obigem Schritt schlagartig um 15 kg leichter. Ich entschied mich nun, den verbliebenen Rest aus dem Rahmen auszubauen. Dazu stellte ich das D-Rad auf zwei Holzböcke und löste die beiden Bolzen. Auch hier half mir wieder Wärme, um die Bolzen herauszuziehen. Nach vielen Stunden reinigen (man achte auf die verwinkelten Stellen unter dem Getriebe) konnte ich mit dem Zerlegen fortfahren. Die Vorgelegewelle kann nach Entfernen des Stopfens von rechts (grüner Pfeil) mit einer M8-Schraube mit Mutter und Unterlegscheibe herausgezogen werden. Das Kupplungslager hatte sehr viel Spiel, also musste ich auch die Achtkantmutter lösen. ACHTUNG: Linksgewinde! Die Sechskantmutter, ebenfalls ein Linksgewinde, ist mit einem Draht gesichert. Die letzte Mutter vor dem Lager kann nach Entfernen des 2. Sicherungsringes gegen den Uhrzeigersinn gelöst werden. Die Dichtflächen wurden mit einer Teppichmesser-Klinge gesäubert, da die Papierdichtungen sehr stark am Aluminium festklebten. Dabei kommen Unebenheiten sehr schnell zum Vorschein, welche sorgfältig geglättet werden können. Alle blanken Stahlteile wurden in einem Kleinteilereiniger vorgewaschen und vom zum Teil stark haftenden Schmutz befreit. Danach hatte ich die Möglichkeit, den verbleiben Schmutz mittels professionellem Ultraschallreiniger zu waschen. Keinesfalls durfte ich Aluminium, Nickel oder Gussteile damit waschen. Aluminium löst sich im alkalischen Reiniger auf, Nickel kann schwarz werden und Gussteile können unter Umständen Risse bekommen. So lassen sich die Teile viel schöner montieren, weil alles wirklich sauber ist. Im nächsten Schritt wurde der Zylinder zum Honen und zur Überholung der Ventile zu einem Zylinderschleifwerk gebracht. Auch die Kurbelwelle wurde an eine externe Firma gegeben, die das linke Lager sowie das Pleuellager ersetzt. Bis diese Teile wieder zurückkommen, kann mit dem Überarbeiten der restlichen Teile und mit der Montage begonnen werden. In einem späteren Bericht wird die Überholung und Montage behandelt.

Jedem steht die gleiche Aufgabe bevor, wenn er ein D-Rad selber restaurieren will: Der Motor muss komplett zerlegt werden.
Teil 1 von 3 (Demontage und Reinigung)


März 2016 - Ein D-Rad ohne Motor

Ein D-Rad ohne Motor Text zusammengestellt: Benno Stöcklin Inhalt und Bilder: Klaus-Dieter Schulte / Stadtarchiv Neuss Vor kurzem bekam ich eine E-Mail über ein spezielles D-Rad. Um es gleich vorweg zu nehmen: Es handelt sich nicht um eine Spandauer Produktion und hat auch nichts mit der «Deutschen Werke AG» oder deren Nachfolgerfirmen zu tun. Vorgestellt wird in diesem Monat ein Fahrrad der Firma «Hermann Dammjacob» aus Neuss am Rhein. Hermann Dammjacob (1885 – 1969) arbeitete zunächst als Geselle in einer Schmiede und Schlosserei. Ab 1908 war er Mechaniker und Verkäufer bei einer Singer-Nähmaschinen-Filiale der Stadt Neuss. Schon zwei Jahre später – am 1. Oktober 1910 – gründete er zusammen mit seinem Bruder Heinrich das Geschäft «Gebr. Dammjacob» in Neuss, in dem sie Nähmaschinen, Fahrräder und diverse Maschinen verkauften. 1912 gründeten sie die «Gebr. Dammjacob GmbH» und zogen in ein grösseres Ladenlokal. Die Nähmaschinen wurden von Stoewer bezogen, die Fahrräder lieferte Opel. Ein Jahr später ergänzte man das Sortiment um Herde, Öfen und Möbel Nach dem Ersten Weltkrieg gründeten die beiden Brüder ein neues Geschäft, wobei im Jahre 1925 Heinrich Dammjacob von der Firma ausschied und ausbezahlt wurde. In dieser Zeit bezog das Geschäft sehr viele Fahrräder von Opel. 1928 zog Herrmann Dammjacob erneut um. Zwischen 1974 und 1978 wurde das Geschäft geschlossen, denn danach taucht der Name in den Adressbüchern von Neuss nicht mehr auf. Interessanterweise ist nichts über eine eigene Fahrradproduktion bekannt. Daher konnte bis jetzt nichts über das abgebildete «D-Rad» herausgefunden werden. Wer weiss mehr zu diesem Fahrrad? Bitte melden Sie sich, der Besitzer würde sich freuen!

Vor kurzem bekam ich eine E-Mail über ein spezielles D-Rad. Um es gleich vorweg zu nehmen: Es handelt sich nicht um eine Spandauer Produktion und hat auch nichts mit der «Deutschen Werke AG» oder deren Nachfolgerfirmen zu tun.


Februar 2016 - Skijöring mit dem Motorrad

Skijöring mit dem Motorrad Mit Bildern des Verfassers

V. JAHRGANG - HEFT 3

EINE reizvolle, neuartige Wintersport - Kombination: auf Schneeschuhen im Schlepp- tau eines Motorrades, hat in den letzten Jahren im Schwarzwald und in den bayerischen Bergen viele Anhänger gefunden. Auf der flachen Landstraße wie auf steilen Gebirgspfaden begegnet man auch in diesem Winter wieder allenthalben dem neuen „Gespann“. Mit großem Tempo, gesichert vor Sturz- und Rutschgefahr, läßt sich das Motorpferd mit angehängter Skiläuferlast auch auf glattgefrorener Straße und starker Steigung gefahrlos steuern, wenn man die Reifen mit einem Gleitschutz versieht und der Schneeuntergrund weder matschig noch festgetreten ist, sondern schön locker und pulvrig liegt.

Was dem passionierten Schneeschuhläufer höchster Genuß ist: eine mühelose Abfahrt durch die glitzernde, strahlende Märchenwelt der Berge, das vermittelt ihm das Motorrad-Skijöring jetzt auch für den sonst oft beschwerlichen Anstieg. Selbst die unerquickliche Bahnfahrt im überhitzten und überfüllten Abteil bis zum Ausgangsort seiner Skitouren kann er meiden, wenn, die Landstraße bei gutgefrorenem Untergrund eine geringe Neuschneedecke trägt, die das „Spuren“ möglich macht. Ein Zugseil oder lederner Zügel von etwa 15 Meter Länge, in Schlingenform am Gepäckträger des Motorrades befestigt, eine um die Reifen gespannte Schneekette oder stahlspitzbenietete Ledermanschetten, ja schon die einfache Umwicklung der Pneumatiks mit starker Kordelschnur bilden die ganze „Spezialausrüstung“, die zum Motorrad-Skijöring gebraucht Natürlich gehört ein wenig Routine und Uebung zu diesem Sport, namentlich, was das Anfahren und Anhalten, das Kurvennehmen und Erklimmen von Steigungen anbetrifft: mit ein paar Hupensignalen jedoch, die man mit seinem „Anhängsel“ vereinbart, ist schnell eine gegenseitige Fahrtverständigung geschaffen, so daß der Skiläufer beim plötzlichen Abstoppen nicht in die Maschine hineinrennt und andere Gefahrmöglichkeiten ebenfalls von vorn herein ausgeschaltet werden. Ein paar Fingerzeige noch für den „Motorrad-Trekker“: man vermeide das „Drücken“ der Maschine in Kurven nach Möglichkeit, benütze zudem nur eine Maschine mit gutwirkender, nicht blockierender Vorderradbremse und fahre aus Rücksicht auf den im Schlepptau Hängenden kein übelriechendes Rizinusöl. Schützt man sich die Hände durch Anbringung von Windmanschetten an den Lenkergriffen, die Knie vor auf stäuben dem Schnee durch Schutzbleche, dann kann man es auf ebener Landstraße bei guten Schneeverhältnissen mit ein oder zwei Mann im Schlepptau bis auf 80 km/Std. Geschwindigkeit bringen, ohne daß der großartige Genuß dieses Dahinfiegens über die weißen Weiten durch die schneidende Kälte des Luftzugs beeinträchtigt wird.

Skijöring-Heil!

Alex Büttner

Mit dem Motorrad durch tiefen Schnee Bild 1: Am Waldesrand Bild 2: Motorrad-Skijöring Bild 3: Der mitgenommene Rodelschlitten tritt in Aktion

Eine reizvolle, neuartige Wintersport - Kombination: auf Schneeschuhen im Schlepptau eines Motorrades, hat in den letzten Jahren im Schwarzwald und in den bayerischen Bergen viele Anhänger gefunden.


Januar 2016 - D-Lieferwagen L-7: Chassis nieten

D-Lieferwagen L-7: Chassis nieten Die Ausgangslage Das Chassis für einen D-Lieferwagen L-7 sollte detailgetreu und nach altem Vorbild gebaut werden. Alle Verbindungen waren genietet, daher kamen für mich Schrauben nicht in Frage! Werkzeuge und Wissen Heute beherrscht kaum noch jemand die Kenntnisse oder Erfahrung im Setzen von Vollnieten. Auch die entsprechenden Pressluft-Niethämmer sind schwer zu finden. In allen angefragten Werften und Lokomotiven- oder LKW-Reparaturwerkstätten ist das Nieten zwar noch ein Begriff, doch die Werkzeuge sind zu gross oder bereits entsorgt. Zuerst habe ich Versuche mit einem pneumatischen Abbauhammer der Armee gemacht. Die Schlagkraft war aber so gross, dass es die Chassisteile verbogen und beschädigt hätte und vorher der Werkstattboden gebrochen wäre. Nach entsprechender Suche konnten aber gute Werkzeuge aus einem ehemaligen Flugzeugwerk in Rumänien beschafft werden. Diese waren für Niete bis 6mm geeignet, später folgte noch ein Niethammer aus den USA für die 8mm Niete. Billiges Werkzeug und pneumatische Meisselhämmer sind nicht unbedingt geeignet, da diese oft eine zu hohe Schlagzahl und zu wenig Energie pro Schlag haben. Alle Gegenhalter und Blechschliesser wurden selber hergestellt. Eine schwere Unterlage (Masse) und entsprechende Spannmittel sind unabdingbar. Federn die Teile nur minimal, ist eine feste Verbindung nicht möglich. Das theoretische Wissen kann man sich in alten Mechaniker-Büchern und im Internet aneignen. Bevor man sich am guten Stück auslebt, sind Versuche mit verschiedenen Blechen und Nietdimensionen unerlässlich. Zum Glück sind am D-Lieferwagen hauptsächlich 6 und 8 mm Niete vorhanden, die kalt verformt werden. Dies macht den Nietvorgang wesentlich einfacher. Kleine Teile habe ich im Schraubstock genietet; mit der Folge, dass dieser nach ein paar Tagen in zwei Stücke zerfiel. Dies zeigt die enorme Schlagkraft der Pressluftwerkzeuge! Für alle grossen Teile und den Zusammenbau des Chassis wurde ein über 400kg schwerer Gusstisch mit T-Nuten verwendet. Darauf konnten die Werkzeuge und das Chassis für jeden Nietvorgang neu aufgespannt werden. Der Nietvorgang Bevor der Rahmen genietet wurde, habe ich die einzelnen Teile und Holmen verschraubt. Dies gibt dem Chassis von Anfang an die richtige Form und eine gewisse Stabilität beim Nietvorgang. Schraube um Schraube wurde dann durch einen Niet ersetzt. Die allgemeine Regel für die Schaftlänge lautet «1.15 x Schaftdurchmesser». Dies stimmt aber nur bedingt, denn die optimale Länge ist vom Nietmaterial und von der Schlagkraft des Hammers abhängig und wird am besten durch Versuche festgelegt. Aus diesen Versuchen ergaben sich Längen, welche auf kleine Hülsen entsprechender Länge übertragen wurden. Hier wird eine solche Hülse zum Anzeichnen mit einer Reissnadel auf den Niet aufgesetzt. Der Niet wird dann auf die angerissene Länge gekürzt. Der gekürzte Niet wird in die Bohrung eingeführt. Der Setzkopf (= vorhandener Kopf) wird auf den Gegenhalter gelegt und der Gegenhalter wird mit Spannpratzen auf den Tisch geschraubt. Das Chassis wird nun auch positioniert und auf den Tisch gespannt. Mit Hilfe des Nietziehers werden die Bleche flächig zueinander gebracht. Nun erfolgt der eigentliche Nietvorgang. Der Presslufthammer wird auf den Niet gesetzt und feinfühlig betätigt. Etwas altes Motorenöl ergibt einen schöneren Kopf. Natürlich ginge dieser Arbeitsschritt auch mit dem Ballhammer von Hand – aber nicht bei über 300 Nieten... Hier sieht man bereits eine Verformung des Schaftes. Durch die Verbreiterung des Schaftes füllt der Niet die Löcher vollständig aus und die Verbindung ist besser als geschraubt. Manchmal kann es sinnvoll sein, erneut den Nietzieher zu verwenden, damit die Bleche und der Setzkopf wirklich richtig aufeinanderliegen. Der Schliesskopf wird nach und nach geformt. Nachprüfen und Korrigieren sind am Anfang notwendig, um einen schönen Kopf zu erhalten. Die fertige Nietverbindung. 29. Dezember 2015 © Peter Stöcklin

Das Chassis für einen D-Lieferwagen L-7 sollte detailgetreu und nach altem Vorbild gebaut werden. Alle Verbindungen waren genietet, daher kamen für mich Schrauben nicht in Frage!